Das Alte im Neuen – Botanischer Garten der Universität Padua
Ein Spaziergang zwischen altem Heilwissen und Biodiversität
Es braucht schon einen Faible für Pflanzen und Botanik, sich inmitten der zahlreichen Sehenswürdigkeiten des altehrwürdigen und pittoresken Paduas für einen Besuch des botanischen Garten der Universität zu entscheiden. Es ist der älteste botanische Garten einer Universität.
Zeitlos hinter historischen Mauern
Die erste grüne Lehranstalt der Welt
Kaum eine Stadt verhält sich so symbiotisch von Altem zu Neuem wie Padua. Das Alte wird als lebenswerter Raum erhalten. Die geschichtsträchtige Stadt mit ihrer Universität, dem Grab des heiligen Antonius, ihrem italienischen Lebensstil bietet so viele Quellen der Inspiration und Raum für Entwicklung, Spontanität und juvenile Frische. Der botanische Garten in seiner heutigen Gestalt – mit dem „Hortus Cinctus“ aus dem Jahre 1545 im Zentrum, und den neugestalteten Anlagen ringsum – spiegelt genau das wieder.
L’aula sempreverde
Ein Hörsaal im Grünen
Universitäten waren schon von jeher Zentren der Scholastik. Der Lehrstoff entstammte den Schriften und Büchern. Offensichtlich fehlte den Lehrern der medizinischen Fächer an der Universität zu Padua bereits im 16. Jahrhundert ein Bindeglied zwischen Theorie und Praxis. Aus pharmazeutischer Sicht stellten die Heilpflanzen zu dieser Zeit das grösste therapeutische Potenzial dar. Damals wie heute sind die genauen Kenntnise und das Studium der anwendbaren Pflanzen und verwertbaren Pflanzenteile eine wertvolle Bereicherung für das Heilwissen. Pädagogisch war das schon damals ein innovativer und sehr effizienter Ansatz, das Gelesene und Gelernte haptisch greif- und somit erlebbar zu machen. Dieses Konzept wurde an der Paduaer Universität bis heute beibehalten. So ist der Eintritt in den Garten für die Studenten zu jeder Zeit kostenfrei, hingegen zahlen normale Besucher einen Eintritt von 10 Euro pro Person.
Pflanzen treffen Prominente
Italien besass schon immer eine grosse Anziehungskraft für Reisende aus den nördlichen Gefilden. Das Licht der mediterrane Sonne lockte die Maler und Künstler. Gelehrte und Geistliche trieb die Sehnsucht nach den Wurzeln an die Wirkungsstätten grosser Denker und Heiliger. Selbst der Geheimrat von Goethe reiste über die Alpen auf der Suche nach Inspiration. Überliefert ist, dass auch er zwischen den Beeten im botanischen Garten der Universität seinen Studien nachging. Der historische Garten erinnert an ein begehbares altes Lehrbuch. Eiserne Gitter halten den Besucher vom Verlassen der Wege ab. Kleine Türen erlauben wiederum das Betreten der umzäunten Terrains, die streng nach Kategorien unterteilt sind. In schmalen Beeten geordnet, reihen sich die Pflanzen aneinander. Das Umschreiten des Rondells auf den sauber geharkten Kieswegen gleicht dem Blättern in einem Buch. Alle Pflanzen sind mit kleinen Schildchen, ihrem italienischen und lateinischen Namen versehen. Jeder Schritt ist vergleichbar mit dem Umschlagen einer Seite. Manchmal ist es einfach nur schön, im Spazierschritt unter den schattigen Bäumen weiter zu schreiten und die wunderschöne Anlage in ihrer Gesamtkomposition zu bewundern.
Während der sommerlichen Hitze ist der Garten ein schöner Ort zum Entspannen und zum Verweilen. Er liegt unmittelbar am alten Stadtzentrum auf dem halben Weg zwischen der Basilika St. Antonius und Santa Giustina.
Tradition heisst nicht stehenbleiben
Seit 1997 zählt der botanische Garten zum UNESCO-Weltkulturerbe. Sein zentrales Thema ist der ‚Umgebene Garten‘, so die lateinische Übersetzung des „Hortus Cinctus“. Urspünglich war mit der Beschreibung die trennende Mauer, die das Kreisrund von der Aussenwelt abschirmt gemeint. Heute ist der historische Kern von grossartigen landschaftgärtnerischen Erweiterungen umgeben. Völlig konträr zum Renaissance-Stil des historischen Gartenteils wurden die neuen Gewächshäuser des „Gartens der Biodiversifität“ in schlichter Betonarchitektur errichtet, von deren Dächern in Kaskaden das zur Kühlung der Dächer benötigte Wasser fliesst. Geschickt wurden die beiden Bereiche durch eine dicke Oleanderhecke mit schmalen Durchgang getrennt. Neue Ausstellungskonzepte werden behutsam in die alte Umgebung eingebracht. In grossen Terrakottatöpfen präsentieren sich auf stählernen Gerüsten in Hüfthöhe Heilpflanzen und laden zum Berühren, Betasten und Betrachten ohne Bücken ein. Die Bezeichnungen der ausgestellten Pflanzen in den grossen Töpfen wurden auch in Brille-Schrift angegeben. Das war eine ganz grossartige Idee, somit gerade auch für Menschen mit Sehbehinderung einen erlebbaren Zugang zu den Pflanzen zu schaffen.