Fenchel – seien Sie wählerisch!
Kräutertee oder Gemüse?
Same same but different.
Wer kennt das nicht? Alle sagen das Gleiche, meinen aber etwas völlig anderes. So kann es Ihnen auch beim Fenchel ergehen. Wahrscheinlich denken die meisten an den Fencheltee, der bei Bauschmerzen und Koliken Linderung verschaffen soll. Andere assoziieren mit Fenchel leckere Salate oder in feinem Olivenöl gedünstete Gemüse. Alle haben Recht. Der Fenchel kann beides. Dabei kommt es jeweils auf die Sorte an.
Fenchel – ein blühendes Wunder.
Bitter und süss
Als Grundlage für Teeaufgüsse dienen die getrockneten Früchte des Fenchels. Sowohl der Bittere Fenchel (Foeniculum vulgare) als auch der Süsse Fenchel (Foeniculum vulgare var. dulce) eigenen sich gleichermassen dafür. Fürs Aromatisieren von Gebäck und Likören findet sich vorzugsweise die süssen Variation des Fenchels in den Rezepturen. Den süsslichen Geschmack verdanken die Fenchelfrüchte dem ätherischen Öl Anethol. Sein Geschmack wird als anisartig und süss beschrieben. Das ätherische Öl Anethol gilt in der Fachliteratur als der aktive Bestandteil bei den krampflösenden Eigenschaften des Fenchels. Anethol wirkt zudem sekretolytisch und sekretomotorisch. Das heisst, es fördert und verbessert die Ausscheidung von Schleim in den oberen Atemwegen, was in der Regel zu einer verbeserten Atmung und einer Reduktion des Hustenreizes führt. Daher ist der Fenchel als gutes altes Hausmittel bei erkältungsbedingtem Husten bekannt.
Bitter macht froh
Die bittere Komponente beim Geschmack des Fenchels entstammt dem Inhaltsstoff Fenchon. Dementsprechend ist der Gehalt an Fenchon im Bitteren Fenchel oder auch Wilden Fenchel (Foeniculum vulgare) ungleich höher als in der süssen Varietät. Sowohl sein Geschmack als auch der Geruch des Fenchons erinnern an Kampfer. Olfaktorisch deuten sich bereits damit die antibakteriellen und antimykotischen Wirkungen des wertvollen Inhaltsstoffes an. Geschätzt wird der Wirkstoff Fenchon vor allem wegen seiner die gastrointestinale Motilität (eigene Magen-Darmbewegung) fördernden Eigenschaften. Das erklärt, weshalb der gute alte Fencheltee bei Krämpfen und Koliken im Bauchraum oftmals die erste und beste Wahl ist.
Süsser für die Frauen
In der Volksheilkunde ist der Fenchel (Foeniculum vulgare) seit Jahrhunderten als Heilmittel bei Frauenleiden geschätzt und bekannt. Die überlieferten Anwendungsgebiete reichen von Linderung bei Menstruationsschmerzen, über Erhöhung der Milchsekretion, bis hin zur Steigerung des sexuellen Verlangens und auch als Mittel für die Geburtseinleitung. Die Spur der Wissenschaft führt zum Athenol dem süsslichen aromatischen Inhaltsstoff der Fenchelsamen. Die ätherischen Öle Trans-Anethol, Fenchon und Estragol sind die Hauptinhaltsstoffe der Samen vom Fenchel (Foeniculi fructus). Der Hauptbestandteil des Fenchelöls, Anethol, besitzt strukturelle Ähnlichkeiten mit dem synthetischen Östrogen Diethylstilbestrol. Daher wird vermutet, dass es sich beim Anethol um ein sogenanntes Phytoöstrogen handeln könnte. Die sogenannten Phytoöstrogene sind pflanzliche Verbindungen, die im Körper hormonähnliche Wirkungen haben. Sie sind in einer Vielzahl von Lebensmitteln enthalten, darunter Sojabohnen, Leinsamen und Vollkornprodukte, aber beim Fenchel scheint es eine der reichhaltigsten Quellen zu handeln. Phytoöstrogene binden sich an Östrogenrezeptoren im weiblichen Körper und können so einige der Wirkungen von Östrogen nachahmen. Dies kann möglicherweise für Frauen vorteilhaft sein, die unter den Symptomen der Menopause wie Hitzewallungen und Scheidentrockenheit leiden. Die Annahme ist, dass Phytoöstrogene dazu beitragen können, den sinkenden Östrogenspiegel wieder auszugleichen. Sollten sich die bisherigen Forschungsergebnisse bestätigen, sollten Männer zukünftig bei Fenchel Zurückhaltung üben, denn Phytoöstrogene könnten demnach die männliche Fortpflanzungsaktivität verringern. Die Wirkungen von Phytoöstrogenen sind individuell und fallen abhängig von der jeweiligen Person sehr unterschiedlich aus, wie auch der Gehalt von Inhaltsstoffen bei pflanzlichen Arznei- und Heilmitteln stets von Schwankungen betroffen ist. Klinische Studien diesbezüglich stehen noch aus.
Fenchel – mehr als nur Gemüse!
Liebhaber und Knollen
Fenchel ist so vielfältig zu nutzen wie seine Arten. Wird der Süsse Fenchel oder Römischer Fenchel (Foeniculum vulgare var. dulce) vorwiegend zum Würzen genutzt, fällt dem Wilden Fenchel oder Bitteren Fenchel (Foeniculum vulgare) die Rolle des Heilers zu. Nicht minder gesund sind die Knollen des Garten-Fenchels (Foeniculum vulgare var. azoricum). Im Gegenteil: sie sind reich an Kalium, was das Herz unterstützt und hilft, den Blutdruck zu regulieren. Natürlich enthalten sie auch die ätherischen Öle, die für eine gute Verdauung sorgen. Wer es ein wenig schmückender braucht, kann sich den Bronzefenchel (Foeniculum vulgare Purpureum) in den Garten pflanzen.
Quellen:
Hänsel, R., Sticher, O.; Pharmakognosie Phytopharmazie, 9. Auflage, Springer Medizin Verlag, Heidelberg 2010
Islam, Mojahidul, Ankur Srivastava, Satendra Kumar and Navneet Verma; Chemical and pharmalogical properties of Feoniculum Vulgare Mill.: A review (2021)
Patil, J.; Patil, D.; Sayyed, H.; Patil, M.; Mali, R. Medicinal Traits of the Phenolic Compound from Foeniculum vulgare for Oligomenorrhea. Chem. Proc. 2022, 12, 54. https://doi.org/10.3390/ecsoc-26-13724
Goehl, Konrad; Mittelalterliche Gesundheitsregeln aus Salerno, Deutscher Wissenschafts-Verlag DWV, Baden-Baden 2009