Abbaye Saint-Georges de Boscherville

Les Jardins de l’Abbaye Saint-Georges de Boscherville

„Sie wollen nach Saint-Martin de Boscherville!“ wurde ich eindringlich am Busbahnhof von Rouen belehrt. Dabei hatte ich meine Frage wirklich lapidar formuliert. Mein Wegziel war Boscherville und zwar die berühmten Gärten der ehemaligen Abtei Saint-Georges de Boscherville. In stiller Demut verzichtete ich auf die Diskussion um Saint-Martin und Saint-George. Dem einen ist das Dorf dem anderen die Abtei gewidmet. Es galt den Wettlauf mit den Wolken zu gewinnen, die das Tiefdruckgebiet mit dem Namen Delia vom Atlantik aufs Festland zog. Die Sonne war auf meiner Seite und schenkte mir ihr schönstes Lächeln an jenem Julinachmittag.

Lange hegte ich Zweifel, ob ich die Gärten der Abbaye Boscherville mit in der Rubrik Klostergärten präsentieren solle. Immerhin hatten die letzten Mönche bereits vor mehr als 230 Jahren die Harke und den Spaten aus der Hand gelegt. Allerdings hatte ich nicht die Rechnung mit den Gärtnern gemacht! Die alten Gärten der Abtei von Boscherville leben wieder und zwar in einer beeindruckenden Schönheit und Authentizität. Der museale Charakter tritt vollkommen hinter das Gesamterlebnis des Gartens zurück. Auf überflüssige pädagogisierende Erklärkonzepte wurde komplett verzichtet. Du kannst den Garten erfahren, wie du willst, lernend, hüpfend, träumend, bummelnd oder sich intensiv mit der Geschichte, der Architektur und den Pflanzen auseinandersetzend.

Ab durch die Hecke!

Die rund vier Hektar Fläche gehören tatsächlich zum Areal des ehemaligen Klosters Saint-Georg und präsentieren alle klosterüblichen Gartenformen, vom meditativen Rückzugsort, repräsentative Terrassengärten bis hin zum Nutz- und Gemüsegarten. Da fehlen nicht die Weinstöcke am Berg, seltene Obstsorten gedeihen auf Obstwiesen und im Spalier. Selbstverständlich werden die Heilkräuter mit einem eigenen thematischen Garten gewürdigt. Sie sind zum Niederknien! Diesmal sind sie nicht nach Indikationen oder anderen akademischen Systematiken sortiert, sondern einfach wie sie am besten zueinander passen. Oder irre ich da? Eine Wiese blühender Römischer Kamille vor Büschen blauen Lavendels. Das solltest du gesehen haben!

Der wohl lauschigste und romantischste Platz ist der Duftgarten. Er befindet sich an der Mauer des südlichen Seitenschiffs der spätromanischen Abteikirche mit einem Durchgang vom Heilpflanzengarten unterhalb des Weinbergs, und ist leicht zu übersehen. Daher lohnt es sich, ab und zu einen Blick in den am Eingang ausgegebenen Gartenführers zu werfen.

Der Ausblick vom Pavillon der Winde auf der obersten Terrasse der Gärten ist atemberaubend. Nicht nur die Gärten inklusive dem Weinberg, den Obstgärten mit Bäumen und Sträuchern, der Abteikirche und das angrenzende Dorf Saint-Martin lassen sich mit einem Blick erfassen. Eine freie Sicht aufs Seine-Tal ist garantiert. Wem dabei zu viel Sonne aufs Haupt scheint, kann sich in den Schatten der akkurat gestutzten Linden flüchten und den frischen Wind geniessen.

Les Jardins de l’Abbaye Saint-Georges de Boscherville – sie könnten durchaus als Mutter der französischen Klostergärten gelten. In den Gärten oberhalb des Dorfes Saint-Martin wächst alles, was eine klösterliches Gemeinschaft theoretisch zum Leben braucht, entsprechend der Benediktusregel innerhalb der Mauern. Manches wird andernorts romantisierend als Klostergarten deklariert, hat aber seit Ewigkeiten keiner monastischen Gemeinschaft mehr als Garten gedient. Der grosse Kehraus kam spätestens mit der Französischen Revolution, als die meisten Klöster und Orden aufgehoben wurden. Vieles ging bereits davor verloren aufgrund endloser Fehden und Kriege. Geblieben ist wie so meist die Sehnsucht nach einer Gemeinschaft, die sich spirituellen Belangen durch Abkehr und Abgrenzung vom Alltag widmet.

Anreise und Internet-Adresse:

Vom Gare Routière in Rouen fährt ein Bus der Linie 530 bis Saint-Martin de Boscherville, Centre. Von da sind es rund 10 Minuten zu Fuss. Das Nahverkehrsticket muss vorher am Automaten gelöst werden.

www.jardinsdelabbayesaintgeorges.fr