Heilpflanze des Jahres 2025: Linde – Tilia
Bereits im Juni stand es für die Chemnitzer fest. Sie wird es. Mit der Linde (Tilia) kürten sie einen Baum als Heilpflanze des Jahres 2025. Die Widmung betrifft beide Arten der Linde – Sommer- und Winterlinde (Tilia platyphyllos, Tilia cordata) gleichermassen. Der Verein zur Förderung der naturgemäßen Heilweise nach Theophrastus Bombastus von Hohenheim, alias Paracelsus e.V., alias NHV Theophrastus, benennt jährlich eine Heilpflanze, der besondere Aufmerksamkeit zuteil werden soll.
„Under der linden an der heide,
Walther von der Vogelweide
dâ unser zweier bette was,
dâ mugt ir vinden
schône beide gebrochen bluomen unde gras.“
Paracelsus und die Venus
Paracelsus, der Namensgeber des gleichlautenden Vereins, verortete in seiner Signaturenlehre die Linde bei den Venuspflanzen. Zum Verständnis: dem Wesen, Aussehen, Standort und Eigenschaften einer Pflanze stehen Erkrankungen oder Störungen des Wohlbefindens gegenüber. So sollen Venuspflanzen, wie der Lindenbaum, die Harmonie fördern, ebenso zur einer besseren Balance beitragen, den Stoffwechsel ausgleichen, aber auch psychische Befindlichkeitsstörungen wie Ängste und Blockaden lösen können. Neuer Lebensmut wird oft beim Einatmen des Dufts blühender Linden geweckt.
Heilkräfte aus der Vertikalen
Die blühenden Linden schenken uns eines der besten Hustenmittel. Selbst Kinder verschmähen selten den altbekannten Lindenblütentee. Leichte Erkältungen, rauhe Stimmen und Hustenreiz lassen sich beinahe nebenwirkungsfrei mit einem Teeaufguss aus Lindenblüten kurieren. Es sind die Blüten mitsamt den Stielen und ihren pergamentartigen Hüllblättern, die sich für die Zubereitung eines Lindenblütentees eignen. Übrigens, stresslösend soll der Genuss von Lindenblütentee auch sein. Damit hätte Paracelsus mit seinem Venusprinzip in diesem Falle recht.

Weniger die heilenden Kräfte der Lindenblüten als ethnobotanische Aspekte stellt die Presseaussendung des Vereins NHV Theophrastus in den Fokus. Es wird romantisierend ein heilsames Miteinander ausgehend von der Linde im Mittelpunkt wie bei den Germanen beschworen. Die Sehnsucht ist in diesen Tagen nur allzu verständlich und knüpft am Verständnis einer Ethnomedizin an. Nur möchte man erinnern: auch andere Völker haben schöne Linden! Darüber wusste bereits Heinrich Marzell zu berichten, der sich der Volkskunde deutscher Heilpflanzen verschrieben hatte.
Dreimal auf Holz
Geschichtlich scheint die Verwendung der honigsüss duftenden Lindenblüten als Erkältungsmittel recht neu zu sein. Bei Bauchgrimmen und Epilepsie wurden sie, trotz zweifelhaften Erfolgs, wohl eher empfohlen. Wesentlich älter sind überlieferte Anwendungen mit dem Holz der Linden. Belege für die Wirksamkeit gesplinteten Lindenholzes bei Cellulitis und Leber-Gallenblasen-Beschwerden gibt es nicht. Holzkohle gewonnen aus den Stämmen und Ästen der Linden galt in längst vergangenen Zeiten als probates Mittel zur Blutstillung bzw. zum Auflösen von Blutgerinseln. Tatsächlich bindet medizinische Kohle bei oraler Einnahme Bakterien und Giftstoffe. Für die Behandlung von Durchfallerkrankungen und Vergiftungen ist sie ein bewährter Wirkstoff. Für die Herstellung medizinischer Kohle wird jedoch nicht ausschliesslich auf Lindenholz zurückgegriffen.
Der Schwindel, Fraiß und Schlag, durch Blumen wird vertrieben, vors Haupt die Lindenblüth gar öffters wird verschrieben.
Medizinalischer Parnaß. Kräuterbuch 1662
Ist es ein Standort- oder ein Standpunktproblem? Die vielfältigen Forderungen nach mehr wissenschaftlicher Forschung auf dem Gebiet der Pflanzenheilkunde sind legitim. Die Frage ist nur, wer soll es machen? Ein Verweilen im Konjunktiv ist nicht konstruktiv. Es reicht kein „wäre interessant, durch wissenschaftliche Studien … zu verifizieren“. Was fehlt ist ein Initial, der Antrieb und Ansporn auf diesem Gebiet etwas voranzutreiben. Wäre es nicht ein starkes Zeichen, wenn ein solcher Impuls von einem Verein wie dem NHV Theophrastus ausginge? Stattdessen bleibt alles beim Alten: bestandssichernde Empfänge, Vorträge und Pressearbeit.
Inhalt der Pressemitteilung:
Kraft und Freundlichkeit vereint – die Linde als Heilpflanze
Mittelpunkt der Gesellschaft
Schon immer fühlten sich Menschen zu ihr hingezogen. Trotz ihres stattlichen Wuchses und teils Ehrfurcht gebietenden Alters, strahlt die Linde stets auch etwas Behagliches, Sanftes und Liebenswertes aus. Die Germanen hielten Things (Volks- und Gerichtsversammlungen) unter Linden ab. Später pflanzten die Menschen sie bewusst in die Mitte ihrer Ortschaften, vor Kirchen oder Burgtore, wo sie heute als beeindruckende Naturdenkmale zu bestaunen sind. In ihrem Schatten suchte man nach Gerechtigkeit und Gemeinschaft. Nur scheinbar besteht ein Widerspruch zwischen ihrer Nutzung als Gerichts- und als Tanzlinde. Zusammenhalt kann nur dort sein, wo ein Jeder sich gerecht behandelt und geachtet fühlt. Aussprache und Konsensbildung sind Voraussetzung für ein entspanntes Miteinander.
Erstaunliche Lebenskraft
Sind die Lichtverhältnisse optimal, treibt die Linde zweimal im Jahr. Ihr Drang zu wachsen sorgt dafür, dass am Stamm und sogar aus der Wurzel immer wieder neue Zweige sprießen. Selbst ein komplett gefällter Baum wird innerhalb kurzer Zeit „zu neuem Leben erwachen“. Linden vermehren sich daher nicht nur über ihre Samen, sondern auch auf vegetative Art.
Da ihr Holz schnell fault, bildet die Linde im Innern hohler Stämme Adventivwurzeln, welche sich, gleich Luftwurzeln, aus dem gesunden Holz nach unten ausbreiten, im Erdreich verwurzeln und dem Ganzen neuen Halt geben. Diese Vitalität sichert ihr ein Leben von bis zu 1.000 Jahren.
Die Heilpflanze
Bezüglich ihrer pharmakologisch relevanten Inhaltsstoffe gleichen sich Sommer- und Winterlinde (Tilia platyphyllos & Tilia cordata) so, dass die Europäische Arzneimittelagentur eine Monografie für beide gemeinsam herausgegeben hat. Diese beschreibt die Blüten inklusive ihrer Stiele und des angewachsenen pergamentartigen Flugblattes als Arzneidroge. Bekannt sind bisher um die 60 verschiedene Inhaltsstoffe. Flavonoide, ätherische Öle sowie Schleim- und Gerbstoffe gelten als Ursache für die Wirksamkeit bei fieberhaften Erkältungen, Husten und Katarrhen der oberen Atemwege. Die beruhigenden, krampf- und schleimlösenden, leicht blutdrucksenkenden und entzündungshemmenden Effekte haben mit Sicherheit auch an anderen Stellen Einfluss auf unsere Gesundheit. Traditionell eingesetzt wurde die Heilpflanze unter anderem bei Appetitlosigkeit, Darmentzündungen, Schlaflosigkeit und Kopfschmerz. Dabei muss betont werden, dass die Linde – ganz ihrem Wesen entsprechend – zu den Pflanzen zählt, welche nicht prompt und heftig anschlagen. Sie lindert Beschwerden sanft und behutsam, sodass sie vorrangig in Kombination mit anderen Pflanzen oder vorbeugend zur allgemeinen Vitalisierung genutzt wird.
Von ausgezeichneter Art
Bereits 1991 wurde die Sommerlinde zum „Baum des Jahres“ ernannt, 2016 folgte die Winterlinde. Mit der Kür zur „Heilpflanze des Jahres“ 2025 will der NHV Theophrastus e. V. aufmerksam machen auf eine Heilpflanze der – trotz ihrer Größe – eher unscheinbaren Art. Ihre gesundheitsfördernden Eigenschaften geraten aufgrund sehr ähnlicher und stärkerer Wirkungen anderer Pflanzen (wie dem Holunder) in Vergessenheit. Dabei hat sie den Menschen schon immer auch auf der emotionalen Ebene angesprochen und sollte daher wieder mehr Aufmerksamkeit bekommen – gerade auch in Bezug auf ihre nervenstärkenden Eigenschaften und ihr verbindendes Wesen. Schließlich setzt die Linde unserer Hektik Ruhe entgegen und lässt uns freier atmen.
November 2024, NHV

Mehr über Linden erfahren:
Quellen:
NHV Theophrastus, Presseartikel zur Heilpflanze des Jahres – Linde, https://www.nhv-theophrastus.de/presseartikel-zur-heilpflanze-des-jahres-linde; 30.12.2024
„Das Stichwort Ethnomedizin“, Spiritual Care, vol. 2, no. 2, 2013, pp.73-76. https://doi.org/10.1515/spircare-2013-0032
Prentner, A., Heilpflanzen der Traditionellen Europäischen Medizin, Springer Verlag, Berlin 2017.
Committee on Herbal Medicinal Products (HMPC), Community herbal monograph on Tilia cordata Miller, Tilia platyphyllos Scop., Tilia x vulgaris Heyne or their mixtures, flos; 09.03.2018.
Marzell, H., Geschichte und Volkskunde der deutschen Heilpflanzen; Reichel Verlag Der Springer, St. Goar, 2002.
https://www.heilpflanzen-welt.de/deutsche-kommission-e-monographien-liste/; 02.01.2025.