Arzneipflanze des Jahres 2024: Blutwurz – Potentilla erecta
Eine wirksame Droge bei Magenbeschwerden
Mögen uns allen die Ereignisse des kommenden Jahres nicht auf den Magen schlagen! Falls doch, dann hat der Studienkreis Entwicklungsgeschichte der Arzneipflanzenkunde mit seiner Wahl der Arzneipflanze des Jahres für 2024 ins Schwarze bzw. Rote getroffen. Es ist die Blutwurz (Potentilla erecta), der in diesem Jahr mehr Aufmerksamkeit zuteil werden soll. Die rötlichen Wurzeln des auch als Tormentill bekannten Blutwurz helfen bei unspezifischen Durchfällen und leichten Entzündungen im Mund- und Rachenraum. Aus den getrocketem und kleingehackten Wurzelwerk kann eine Teezubereitung aufgebrüht werden. Den meisten allerdings dürfte die Blutwurz aus dem Spirituosenregal bekannt vorkommen. Die beliebteste Zubereitung aus Blutwurz (Potentilla erecta rhizoma) ist vermutlich der gleichnamige Likör. Diverse Brennereien behaupten, sie produzieren das Original. Wir wissen allerdings, das Original bekommen sie nur, wenn sie im Frühjahr oder Herbst nach den Wurzeln graben.
Obwohl die Blutwurz auf kargen, mässig sauren Böden recht gut gedeiht, braucht sie Feuchtigkeit. Das letzte Jahr war für die Blutwurz (Potentilla erecta) wie für vielen andere Heilkräuter auch viel zu trocken. Gewöhnlich von Mitte Mai bis Oktober zeigt sie ihre vierblättrigen Blüten. Mischwälder, Heiden und karge Wiesen, das sind die Plätze, wo sie sich wohlfühlt.
Aus der Kraft der Wurzeln
Es ist ihr Gehalt an Gerbstoffen, was die Blutwurz-Wurzeln (Potentilla erecta rhizoma) als begehrte Droge auszeichnet. In ihrer Zusammensetzung dominieren kondensierte Tannine (bis zu 22 %) neben Ellagitanninen (einschliesslich Agrimoniin und Pedunculagin). Hinzu kommen Phenolsäuren (Cumarin-, Sinapin-, Kaffeesäure, Gallussäure und ihre Derivate), Flavonoide (Kaempferol und Quercetin und ihre Derivate) sowie Triterpensaponine. Trotz geringer Studienlage gelten die adstringierende, antimikrobielle, antioxidative und entzündungshemmende Wirkung von Zubereitungen aus Blutwurz-Wurzeln als belegt. Gerbstoffe verändern Eiweisse, was bei Entzündungen die Bildung von körpereigenen Schutzfilmen hervorrufen bzw. fördern kann. Mit diesem bereits bekannten Mechanismus könnte die Tormetillen-Wurzel (Potentilla erecta rhizoma) als nichtalkoholische Variante in der Pharmazie Karriere machen. Die Experten des Studienkreis Entwicklungsgeschichte der Arzneipflanzenkunde sind sich sicher. Sie sehen Potenzial in den sich rotfärbenden Wurzelstöcken!
Unklare Vergangenheit
Die europäische Geschichte von Arzneipflanzen ist oft sehr eng mit der sogenannten Klostermedizin verknüpft. Allerdings lässt sich im Falle des Tormentill oder Blutwurz (Potentilla erecta) der direkte Bezug zur klösterlichen Medizin leider nicht so leicht finden. Die einschlägigen Bücher verweisen nicht unmittelbar auf die Verwendung der Blutwurz in Klöstern zur Heilung von Kranken. Wahrscheinlich erfahren wir mehr darüber im Laufe des Jahres von der ebenfalls in Würzburg ansässigen ‚Forschergruppe Klostermedizin‘. Die uneinheitliche Verwendung von Namen und Bezeichnungen während der vergangenen Jahrhunderte stiftet immer wieder Verwirrung und sorgt für Diskussionen. Im Falle von Hildegard von Bingen ist sich sogar deren Übersetzerin Ortrun Riha bei der Zuordnung vom Blutwurz nicht sicher. Es existieren zwei Nennungen mit unterschiedlichem Namen im Original. Erst Mitte des 18. Jahrhunderts begann die Einführung der lateinischen Nomenklatur in der Botanik. Wir verdanken sie dem schwedischen Naturfoscher Carl von Linné. Nicht unbekannt dürfte ihm die Blutwurz (Tormentillenwurzel) vorgekommen sein. Immerhin ist sie eine der Zutaten für den weltberühmten ‚Schwedenbitter‘.
Quellen:
Pressemitteilung: Blutwurz ist die Arzneipflanze des Jahres 2024; Studienkreis Entwicklungsgeschichte der Arzneipflanzenkunde; Würzburg, 31.12.2023.
Melnyk, N.; Vlasova, I.; Skowrońska, W.; Bazylko, A.; Piwowarski, J.P.; Granica, S. Current Knowledge on Interactions of Plant Materials Traditionally Used in Skin Diseases in Poland and Ukraine with Human Skin Microbiota. Int. J. Mol. Sci. 2022, 23, 9644. https://doi.org/10.3390/ijms23179644
Hildegard von Bingen; Heilsame Schöpfung – Die natürliche Wirkkraft der Dinge ‚Physica‘; übersetzt von Ortrun Riha, Beuroner Kunstverlag; 2012.
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