Das Blaue Wunder vom Walde
Kreuzschmerz und blaue Hände
Wer Süsses will muss sich bücken! Zum Lohn gibt es blaue Flecken an den Händen, Schmerzen im Rücken und einen Korb voll süsser aromatischer blauer Beeren. Es ist wieder Heidelbeersaison. In den Regionen, wo Petrus mit Regenwolken in den letzten Wochen dem Land Wasser schenkte, sind sie nun reif und pflückenswert!
Doch keine Beeren statt Tabletten!
Schlechte Nachrichten für Hypertoniker. Das sind Menschen, die unter hohem Blutdruck leiden. Beeren und besonders Heidelbeeren (Vaccinium myrtillus) sind gesund. Ihr Genuss kann durchaus positive Effekte auf die Blutgefässe bewirken. Allerdings, entgegen den Erwartungen, zeigte sich in zahlreichen Studien, dass sie leider den Blutdruck nicht senken. Laut den Aussagen der Wissenschaftler gibt es schwache Hinweise auf eine spezifische Rolle von Beeren bei der Vorbeugung von Bluthochdruck, abgesehen von der Wirkung, die mit dem Verzehr von Obst und Gemüse im Allgemeinen verbunden ist. Wahrscheinlich liegen die Ursachen eher in den Veränderungen der Lebensgewohnheiten zu einem gesünderen Lebensstil, als beim Genuss der süssen Beeren.1 Dazu zählt auch das Bücken nach den Früchten bei Waldspaziergängen oder beim Sammeln für den Kuchen.
Für die Beine und die Füsse?
Tatsächlich wurden schon sinkende Blutdrücke unter dem Einfluss des Genusses von Heidelbeeren (Vaccinium myrtillus) beobachtet und sind nicht ungewöhnlich. Die Normalisierung des Blutdrucks kann bei hypertensiven Probanden unter Heidelbeer-Einfluss offenbar mit einer Modulation der endothelialen und vaskulären Funktion erklärt werden. Ein gesundes Herz-Kreislauf-System benötigt elastische Blutgefäße, damit bei jedem Herzschlag die Blutdruckwelle entlang des Gefäßbaums durch den gesamten Körper geleitet wird. Für eine ausreichende Versorgung der Organe und der Extremitäten mit sauerstoffreichem Blut, müssen die Arteriolen störungsfrei funktionieren. Das sind die Verbindungsgefässe zwischen Arterien und Kapillaren. Sie sind von Endothel- und glatten Muskelzellen umgeben, die je nach Kontraktion den Gefäßtonus und den Blutfluss wirksam regulieren. Die Endothelzellen müssen permanent auf mechanische und chemische Reize reagieren und eine ausreichende Menge an vasoaktiven Substanzen bilden. Je nach Stimulus werden diese Substanzen entweder als vasodilatatorisch (gefäßerweiternd) oder vasokonstriktiv (gefäßverengend) bezeichnet. Versuche mit anthocyanreichen Heidelbeer-Extrakten zeigten, dass die vasoldilatorische Funktion von Endothelzellen unter Stress erhalten werden konnte. Die gefässerweiternde Wirkung führt zur Entlastung des Kreislaufs und würde somit das Absinken vom Blutdruck erklären.2 Bekannt ist die gefässschützende Wirkung frischer Heidelbeeren schon lange, weshalb sie auch als traditionelles pflanzliches Heilmittel anerkannt ist. Die Wirkung der in Heidelbeeren enthaltenen Anthocyane ist jedoch noch nicht ausreichend erforscht.
Blaue Finger beim Sammeln? Das sind Anthocyane!
Garten oder Wald?
Heidelbeeren haben viele Namen. Einige nennen sie Schwarzbeeren. Der gebräuchlichste Name ist wahrscheinlich die Blaubeere. Die intensive blaue fast schon schwarze Färbung der kleinen süssen Früchte verdanken die Heidelbeeren den Anthocyanidinen. Es finden sich davon bis zu 2 % den Fruchtschalen, der Rest im Fruchtfleisch. Rein chemisch gesehen handelt es sich bei den Anthocyanen um sogenannte Flavonoidabkömmlinge. Anthocyane machen etwa 90 % der gesamten phenolischen Verbindungen in den Früchten der Heidelbeeren aus. Wurden bisher die Anthocyane lediglich in ihrer Rolle als Lebensmittelfarbstoff gesehen, erregen ihre antioxidativen, gefässschützenden und entzündungshemmenden Eigenschaften zunehmend das Interesse der Forscher.3 Wenn es um den Phenolgehalt der Früchte geht, sind die im Wald geernteten den Gartenzüchtungen vorzuziehen. Im Wald geerntete Heidelbeeren wiesen einen doppelt so hohen Phenolgehalt aus wie die hochbuschigen Gartenzüchtungen. Gut möglich, dass die härteren Umwelteinflüsse im Wald und die genetischen Eigenschaften der Züchtungen den Unterschied ausmachen.4
Quellen:
1 Vendrame, S.; Adekeye, T.E.; Klimis-Zacas, D. The Role of Berry Consumption on Blood Pressure Regulation and Hypertension: An Overview of the Clinical Evidence. Nutrients 2022, 14, 2701. https://doi.org/10.3390/nu14132701
2 Bell, David R.; Gochenaur, K. Direct vasoactive and vasoprotective properties of anthocyanin-rich extracts ;Journal of Applied Physiology 2006 100:4, 1164-1170
3 Martău, G.A.; Bernadette-Emőke, T.; Odocheanu, R.; Soporan, D.A.; Bochiș, M.; Simon, E.; Vodnar, D.C.Vaccinium Species (Ericaceae): Phytochemistry and Biological Properties of Medicinal Plants. Molecules2023, 28, 1533. https://doi.org/10.3390/molecules28041533
4 Weaver, C.M.; Ferruzzi, M.G.; Maiz, M.; Cladis, D.P.; Nakatsu, C.H.; McCabe, G.P.; Lila, M.A. Crop, Host, and Gut Microbiome Variation Influence Precision Nutrition: An Example of Blueberries. Antioxidants 2023, 12, 1136. https://doi.org/10.3390/antiox12051136
Ockermann, P.; Headley, L.; Lizio, R.; Hansmann, J. A Review of the Properties of Anthocyanins and Their Influence on Factors Affecting Cardiometabolic and Cognitive Health. Nutrients 2021, 13, 2831. https://doi.org/10.3390/nu13082831
Hänsel, R., Sticher, O.: Pharmakognosie-Phytopharmazie, 9. Auflage, Springer Medizin Verlag Heidelberg, 2010.