Den Höhepunkt des Jahres feiern: Mitsommer
Alljährlich zur Sommersonnwende sind Sonne und die Natur im Zenith
Gekürt zur Heilpflanze des Jahres 2019 durch den Naturheilverein Theophrastus, verkündet die goldgelbe Blüte des Johanniskrauts die Mitte des Jahres und zugleich den Höhepunkt in der jahreszeitlichen Entwicklung der Natur. Die gesamte Pflanzenwelt hat sich jetzt voll entfaltet, die ersten Früchte reifen zur Ernte heran. Erntereif sind nun auch alle Heilkräuter und -pflanzen, von deren Säften und Nährstoffen in Blättern und Blüten wir profitieren können. Sie stehen – wie man so schön sagt – im besten Saft. Lassen die Regengüsse nach, locken die Linden mit süssem Duft zur Ernte ihrer Blüten, und liefern eines der zuverlässigsten und wohlschmeckendsten Erkältungsmittel.
Johannis- oder Herrgottskraut
Die gebräuchlichen Namen fürs Hypericum perforatum haben stets eine Verknüpfung mit spirituellem Hintergrund.
Ein wirklich guter Grund zum Feiern
Die längsten Tage und die kürzesten Nächte verleiten zum Auskosten der Wärme und Helligkeit. Schon unsere Vorfahren feierten den Höchststand der Sonne mit Freudenfeuern und Zeremonien. Das Brauchtum der Sommersonnwendfeuer hat sich in ländlichen Gebieten bis heute erhalten. Gleichzeitig wird in der katholischen Kirche des „letzten grossen Propehten“ und dem ersten Märtyrer ‚Johannes dem Täufer‘ gedacht. Der Überlieferung nach wurde er sechs Monate früher als der Messias geboren. Mit dem Johannisfest begehen wir am 24. Juni seinen Geburtstag.
Gegenwärtiger ist uns Johannes‘ Schicksal. Sein Kopf wurde abgeschlagen und in einer silbernen Schale bei einem Tanze präsentiert. Dass es eine blut- und tränenreiches Geschehen war, ist einleuchtend. Die rötlichen Tropfen, die an den Drüsen der Blütenblätter des Johanniskrauts an heissen Tagen sichtbar werden, erinnern an die fürchterlichen Folgen einer schrecklichen weiblichen Laune. Herodias ist der Name der übelsinnigen Dame, die ihre Tochter von ebenfalls zweifelhafter Moral bei der Tat vorschob. Diese Geschichte stimmt nicht lustig. Sie erinnert Menschen, denen es ähnlich erging an ihr Schicksal. Es muss ja nicht immer gleich der Kopf sein, den es kostet. Unverarbeitete Trauer, erlittene Verluste und Wut sind die häufigen Ursachen für depressive Verstimmungen.
Eine Wiesenblume gegen die Traurigkeit
Seltsamerweise ist gerade das Johanniskraut (Hypericum perforatum), das so bildhaft für Trauer und Leid steht, eine Heilpflanze mit hohem stimmungsaufhellendem Potenzial. Ihr wird zugesprochen, die Wärme und das Licht der Sonne mit ihrem fünfblättrigen Blütenstern zu speichern. Tatsächlich bildet sie einen pharmakologisch wirksamen Stoff namens Hyperforin. Trotz der chemischen Identifikation des Stoffes, wird bei der Behandlung von Stimmungstiefs den Extrakten aus dem Johanniskraut der Vorrang gegeben.
Der Wirkstoff Hyperforin ist, obwohl rein pflanzlich, nicht ganz unproblematisch. Die Einnahme von Johanniskraut-Präparaten, -Extrakten oder Zubereitungen sollte unbedingt vorher mit dem behandelnden Arzt und/oder dem Apotheker besprochen werden! Es ist schon verwunderlich, wenn in Foren und Beiträgen hinter den Warnungen vor Wechselwirkungen mit Medikamenten und anderen Arzneistoffen, Verunglimpfungen seitens der Schulmedizin unterstellt werden. Logischerweise resultieren die heilenden und lindernden Wirkungen von Pflanzen und Kräutern aus den selben Vorgängen der Pharmakodynamik und -kinetik wie die labortechnisch hergestellten Arzneimittel. Daher ist es leichtsinnig, bei Heilkräutern und -pflanzen nicht mit Nebenwirkungen zu rechnen. Einfachstes Beispiel in diesem Zusammenhang sind Allergien.
Johanniskraut-Blüten
Die knallig gelben Blüten des Johanniskrauts werden oft auch als Sonnenfänger bezeichnet.
Den Teufel nicht mit dem Belzebub austreiben
Hyperforin, der Wirkstoff des Johanniskrauts, hemmt die Wiederaufnahme von Serotonin und besitzt einen ähnlichen Wirkungsmechanismus wie andere Antidepressiva. Allerdings beschleunigt der Wirkstoff zugleich den Abbau von oral eingenommenen Verhütungsmitteln, von Ciclosporin einem Immunsuppresivum, von Vitamin-K-Antagonisten einem Blutgerinnungshemmer. Das hat zur Folge, die Wirkung der Medikamente wird reduziert, was für die Patienten fatale Folgen haben kann.
Bekannt sind zudem Wechselwirkungen mit Virustatika. Das sind Medikamente zur Bekämpfung chronischer Viruserkrankungen. Verständlich ist, dass jede Erkrankung Einschränkungen nach sich zieht und eine psychische Belastung für die Betroffenen darstellt. Handelt es sich sogar um eine chronische Erkrankung, ist der Leidensdruck dauerhaft. Daher ist der Wunsch nachvollziehbar und legitim, die getrübte Stimmung mit sanften natürlichen Mitteln aufhellen zu wollen. Damit das gut und langfristig gelingt, müssen alle Wirkstoffe miteinander sorgfältig abgestimmt und gegeneinander abgewägt werden – wie bei einer guten Kräuterteemischung! Daher nicht vergessen: erst den Arzt oder Apotheker fragen!
Johanniskraut-Öl
Es handelt sich um einen Kräuterauszug, der durch Mazeration gewonnen wird. Intensive Sonnenbestrahlung lässt die Wirkstoffe vermehrt in den Ölansatz übergehen.
Das rote Johanniskraut-Öl für die Haut
Im Zusammenhang mit dem Johanniskraut wird auch das rote Johanniskraut-Öl genannt. Die Gewinnung ist einfach und mit der Freude an der intensiven Rotfärbung des Öls verbunden. In kaltgepressten Pflanzenöl werden frisch gesammelte Johanniskrautblüten versenkt. Die Flasche mit dem angesetzten Öl wird fest verschlossen und intensiver Sonneneinstrahlung ausgesetzt. Schon nach wenigen Tagen wechselt das Öl die Farbe und gewinnt zunehmend an einer intensiv rötlichen Färbung. Durch Mazeration werden die Pflanzenteile aufgeweicht und die Inhaltsstoffe herausgelöst, wobei sich diese im Öl einlagern. Nach mehreren Tagen (bis zu 6 Wochen) kann das Öl dann abfiltriert werden. Durch diesen Vorgang bleiben die ausgelaugten Blüten und Pflanzenbestandteile zurück. Es entsteht ein klares rotes Öl, das nicht zum Verzehr geeignet ist.
Johnniskrautöl steht im Ruf, die Heilung von Wunden und Narben zu beschleunigen, selbst bei Sonnenbrand soll es hilfreich sein. Da diese Indikation nicht bestätigt ist, kann sie nicht empfohlen, aber ausprobiert werden. Die Wirkstoffe des Johanniskrauts werden bei einer Ölbehandlung über die Haut in den Körper gelangen. Die Haut kann die Inhaltsstoffe gut resorbieren. Daher sollten die selben Vorsichtsmassnahmen im Bezug auf das Johanniskrautöl wie auf das reine Kraut beachtet werden. Eventuelle Wechselwirkungen mit Medikamenten oder anderen Wirkstoffen müssen unbedingt beachtet werden!