‚false friends‘ – Missverständnisse beim Heilkräutersammeln vorbeugen
Wissen, das gesammelt werden kann
‚False friends‘ sind peinliche oder irreführende Verwechslungen im sprachlichen Gebrauch. Meist basieren sie auf ungenügenden Kenntnissen der Fremdsprache und kommunikativen Enthusiasmus. Sie stiften Unverständnis oder im schlimmsten Fall Verwirrung auf Seiten der Gesprächspartner. Ebenso verhält es sich auch im Pflanzenreich. Es ähneln sich viele Kräuter im Aussehen und manche sogar im Namen. Verwechslungen führen dazu, dass nicht das Heilkraut eingesammelt wird, sondern ein wirkungsloses Pflänzchen aus der Wiese gerissen wird. Im schlimmsten Fall landet ein giftiger Kandidat im Korb und gelangt auf diesem Wege in die Kräuterteemischung. Statt Besserung folgt zumindest Unwohlsein.
Sammellust statt Sammelfrust
Zu Recht beklagen Experten, dass die Kenntnisse über die Heilkräuter und -pflanzen nicht mehr von Generation zu Generation weitergeben werden und so zum grossen Teil ins Vergessen geraten sind. Auf der anderen Seite warnen sie übertrieben vor dem selbsversorgendem Sammeln. Recht haben sie, dass das Sammeln der hilfreichen Kräuter nicht frei von Risiken ist. Auch die Verwendung von Kräutern und Pflanzen zu Heilzwecken ist mit unerwünschten Nebenwirkungen verbunden. Einige Pflanzen sind schwierig zu unterscheiden. Verwechslungen können gesundheitliche Schädigungen nach sich ziehen. Es verhält sich ähnlich wie beim Pilzesammeln.
Wissen, wer sich auskennt
Ein beliebtes Thema sind die leberschädigenden Pyrrolizidinalkaloide, die immer wieder im Honig und in Kräuterteemischungen gefunden werden. Das Thema ist ernst, vor allem für Kinder und erkrankte Menschen. Es betrifft aber bei Weitem nicht alle Heilkräuter und -pflanzen. Im Falle von Kräuterteemischungen sind es Verunreinigungen durch Pflanzenbestandteile, die in den beanstandeten Mischungen nichts zu suchen haben. Immer wieder betonen Fachleute, dass qualitativ einwandfreie Ware in Apotheken erhältlich ist. Das nimmt die Apotheker in die Pflicht, mit dem neuerwachten Interesse an alternativen Heilmethoden und den heilenden Pflanzen, auch zukünftig die qualtitativen Massstäbe für die Pflanzenmedizin hochzuhalten. Wer ein Heilkraut ausprobieren möchte, und sich nicht sicher über das Aussehen und die Verarbeitung ist, für den sollte die Apotheke die erste Anlaufstelle sein.
Irren ist menschlich!
Einfach eine Pflanze mitnehmen und zu Hause nachschauen, was man im Körbchen hat, kann gefährlich sein. Der Abwehrmechanismus der Brennnessel zeigt sehr deutlich an, dass es sich wirklich um eine Brennnessel handelt. Andere Pflanzen schützen sich mit Säften und feinen Härchen, die zu sehr schmerzhaften und entzündlichen Hautschäden führen können. In diesem Fall wäre es grob fahrlässig, ohne das entsprechende Wissen sich gesundheitlichen Gefahren auszusetzen. Die nachfolgenden Beispiele sollen verdeutlichen, wie hoch das Risiko von Verwechslungen tatsächlich ist.
Schwarzer Holunder
Sambuca nigra
Der Schwarze Holunder wächst als Busch, Strauch oder Baum und schafft dabei eine Höhe von bis zu 7 Metern. Seine Blüten duften aromatisch, können gesammelt und getrocknet werden. Die schwarzen Früchte sollten auf keinen Fall roh verzehrt werden. Gekocht werden sie wegen ihres guten Aromas als Gelees oder Säfte geschätzt.
Zwerg Holunder
Sambucus ebulus
Die Büsche des Zwerg-Holunders schaffen maximal eine Wuchshöhe von 150 bis 50 Zentimetern. Seine Blüten sind rosa eingefärbt. Meist blüht er nach dem schwarzen Holunder. Alle Pflanzenteile sind giftig. Der Genuss der Früchte soll spontanes Erbrechen, Übelkeit und Durchfall verursachen.
Bevor der Engelwurz in die Hochblüte eintritt und die unverkennbare kugelförmige Blütendolde bildet, ähnelt er von der Gestalt dem Wiesen- und auch dem Riesen-Bärenklau.
Wald-Engelwurz
Angelica sylvestris
Der Wald-Engelwurz kann bis zu einer Höhe von 1,5 Metern wachsen. Seine Wurzeln werden im Herbst ausgegraben. Sie enthalten Bitterstoffe und ätherische Öle, die regulierend auf die Verdauung wirken. Den Engelwurz erkennt man an seinem typischen aromatischen Geruch, der von Kräuterlikören und Magenbittern bekannt ist. Die Berührung der Pflanze kann ähnlich wie beim Wiesen-Bärenklau eine Kontaktdermatitis auslösen.
Wiesen-Bärenklau
Heracleum sphondylium
Der Wiesen-Bärenklau hat lappige behaarte Blätter, die mit viel Phantasie an Bärentatzen erinnern können, und wohl zur Namensgebung inspirierten. Der Wiesen-Bärenklau entwickelt Wuchshöhen bis zu 1,5 Metern. In den Blättern und Stängeln bildet die Pflanze Furocumarine, die phototoxisch wirken und verbrennungsähnliche Hautschädigungen auch bei leichter Berührung hervorrufen können.
Im Bezug auf den Bärenklau gibt es eine zweifache Verwechslungsgefahr:
1. Die Pflanzengestalt ähnelt dem des Engelwurzes
2. Pflanzen aus der Gattung Akanthus werden auch 'Bärenklau' genannt. Wobei erschwerend hinzu kommt, dass es sich beim Wahren Bärenklau (Acanthus mollis) um eine Heilpflanze handelt.
Wiesen-Anis
Pimpinella anisum
Der Wiesen-Anis gehört zur Familie der Doldenblütler. Meist wird er auf Pflanzungen oder Feldern kultiviert. Er mag es aber auch sich auszuwildern und wunderbar duftende Flächen auf Wiesen zu bilden. Die Früchte des Wiesenanis werden weniger als Würze verwendet denn als Heilkraut. Mit den gemahlenen Früchten wird im Vinschgau und anderen Teilen der Alpen das Brot gewürzt. Die ätherischen Öle in den Anis-Früchten wirken sekretionsbildend und krampflösend bei Verdauungsbeschwerden.
Schierlingskraut
Conium maculatum
Auch das Schierlingskraut gehört zu den Doldenblütengewächsen. Das macht es anfällig für Verwechslungen. In allen Pflanzenteilen finden sich Coniumalkaloide , welche die wohlbekannte Giftigkeit der Pflanze bewirken. Das sind Lähmungen und Schock, welche zum Tode führen können. Im Altertum wurde den zum Tode Verurteilten der Schierlingsbecher – eine Zubereitung aus den Pflanzenteilen des Schierlingskrautes – gereicht. Später im Mittelalter sollen Hexen in böser Absicht mit der Pflanze hantiert haben.
Wiesen-Anis und Wiesen-Kümmel gehören ebenso zu den Doldenblütengewächsen wie der Gefleckte Schierling. Das macht die Sache kompliziert, weil sich Aussehen und Standorte der Pflanzen einander ähneln. Zweifelsfrei entwickeln die Früchte des Kümmels und des Anis den typischen Duft. Der Geruch des Schierlings wird als dem Katzenurin ähnlich beschrieben.
Johanniskraut
Kreuzjakobskraut
Johanniskraut
Hypericum
Das Johanniskraut ist eine legendenträchtige Symbolpflanze und wird laut Signaturlehre den Sonnenpflanzen zugeordnet. Tatsächlich bezieht das Johanniskraut seine Stärke aus der Sonneneinstrahlung. Der wichtigste Inhalts-und Wirkstoff, den das Johanniskraut bildet, ist das Hypericin. Laut der aktuellen Forschung ist das Hypericin massgelblich an der arzneilichen Wirkung der Pflanze als Antidepressivum beteiligt. Dabei gilt es zu beachten, dass die Inhaltsstoffe des Johanniskrauts Wirkungen anderer eingenommener Medikamente beeinflussen können.
Kreuzjacobskraut
Senecio jacobaea
Das unerfreuliche Jakobs-Greiskraut ist eine Pionierpflanze. Sie siedelt sich überall dort an, wo es keinen starken deckenden Pflanzenwuchs gibt z.B. Strassenränder, überweidete Wiesen, oder unbewirtschaftete Ackerflächen. Das Kreuzjacobskraut ist in allen Pflanzenteilen giftig. Selbt die Berührung der Pflanze kann zur Übertragung der Pyrrolizidinalkaloide beitragen. Die Pyrrolizidinalkaloide sind leberschädigende Stoffe. Sie sind gefährlich für Mensch und besonders Tiere. Aus diesem Grund fürchten Landwirte die Besiedelung mit der leuchtend gelb blühenden Pflanze.
Beide Kräuter blühen zur selben Zeit und bevorzugen Wegränder und sonnige Plätze. Die bräunlichen verwelkten Blütenstände konkurrieren mit dem leuchtenden Gelb der intakten Blütenblätter. Trotz der unterschiedlichen Blütenform kommt es immer wieder zu Irritationen, um welches Kraut es sich handelt.
Schwarznessel
Ballota nigra
Die Schwarznessel ist ein Lippenblütler. Geschätzt werden ihre Blüten, die entkrampfend und beruhigende wirken sollen. Anzutreffen ist sie meist auf kargen und lockeren Böden in Gesellschaft mit anderen „Unkräutern“.
Stängelumfassende Taubnessel
Lamimum amplexicaule
Die Stengelumfassende Taubnessel wird häufig mit der Schwarznessel verwechselt. Sie liebt sonnige und luftige Standorte an Wiesen- und Feldrändern sowie lehmige schwere Böden.
Völlig undramatisch sind Verwechslungen zwischen der Schwarznessel und ihrer Schwester der Stängelumfassenden Taubnessel. Beide sind Lippenblütler und ihr Blütenstand ist in Kränzen angeordnet. Die Blüten der Schwarznessel sind dunkler und die Laubblätter rauher als bei der Stängelumfassenden Taubnessel. Die Taubnessel ist vollkommen harmlos. Wer allerdings die beruhigende und krampflösenden Eigenschaften der Schwarznessel sucht, würde im Falle einer Verwechslung wegen der ausbleibenden Wirkung enttäuscht.
Bärlauch
Allium ursinum
Der Bärlauch ist eines der beliebtesten Frühjahrskräuter, die in lichten Laubwäldern gesammelt werden. In manchen Gegenden finden regelrecht Ernten statt, die wiederum den Bestand und ausreichen Austriebe im nächsten Frühjahr gefährden. Die Blätter enthalten schwefelhaltige Verbindungen z.B. Allicin, Alliin und Methyl-L-cysteinsulfoxid, die für den würzigen Geschmack verantwortlich sind.
Maiglöckchen
Convallaria majalis
Das Maiglöckchen ist unverkennbar am Duft seiner Blüten. Ohne die hübschen weissen Blüten sind die Blätter schwer von anderen Pflanzen zu unterscheiden. Die Maiglöckchen sind in allen Pflanzenbestandteilen giftig. Die Pflanze enthält mehr als 38 Glykoside, die herzwirksam sind. Allerdings aufgrund der äusserst geringen therapeutischen Breite sind sie für den pharmazeutischen Laien nicht nutzbar!
Die Blätter und die Standorte beider Pflanzen ähneln sich stark. Lediglich am Geruch können sie zweifelsfrei unterschieden werden. Allerdings wird es schwierig beim Sammeln von Bärlauchblättern, wenn die Finger bereits den starken aromatischen Zwiebel-Knoblauch-Geruch angenommen haben.
Echte Kamille
Matricaria chamomilla
Duftet die Pflanze intensiv und süsslich nach Kamille handelt es sich mit grosser Wahrscheinlichkeit um die echte Kamille. Ein ganz sicheres Zeichen ist der Hohlraum im Blütenköpfchen am Übergang zum Stiel.
Hunds-Kamille
Convallaria majalis
Das Blütenköpchen mit den Staubgefässen ist bei der Hundskamille eher platt. Ein untrügliches Zeichen, dass es sich nicht um die Echte Kamille handelt, ist der fehlende Hohlraum am Übergang zum Stiel. Schön sieht sie aus und verleitet sehr wohl zum Sammeln. Jedoch verfügt die Hundskamille nicht über die wertvollen Inhaltsstoffe.
Auf den ersten Blick sind sich beide Pflanzen ähnlich. Nur die Echte Kamille besitzt die begehrten Inhaltsstoffe. Die Echte Kamille bleibt im Wuchs klein und erreicht maximal eine Höhe von 30 cm. Ihre unechte Schwester schafft locker das Doppelte an Wuchshöhe.
Faulbaum
Rhamnus frangula
Die Blüten und die Fruchtstände sind die markantesten Unterscheidungsmerkmale zwischen dem Echten Faulbaum und der in Wuchs und Form ähnlichen Traubenkirsche. Der Faulbaum bildet kleine schmucklose Sterne als Blüten aus. Die Fruchtstände des Faulbaums bilden keine Trauben wie die Traubenkirsche. Nur die Rinde des Echten Faulbaumes kann nach einjähriger Lagerung und Behandlung für Heilzwecke genutzt werden. Der Prozess ist langwierig und schwierig, daher lohnt sich der Weg in die Apotheke.
Traubenkirsche
Prunus padus
Die imposanten weissen Blüten der Gewöhnlichen Traubenkirsche werden oft dem Faulbaum zugeordnet. Dessen Blüten sind aber nicht so prächtig. Die ebenso borkige Rinde und die brüchigen Zweige verleiten oft zu diesem Irrtum. Typisch und namensgebend sind die traubenförmigen Blüten und Fruchtstände. Die Rinde der Traubenkirsche enthält ein giftiges cyanogenes Glykosid, wohingegen die Früchte für die Herstellung von Marmeladen und Konfitüren geeignet sein soll.
In Gestalt, Wuchs, Höhe, Aussehen und Standort sind sich beide Baumarten sehr ähnlich. Beides sind keine allzu hohen Bäume. Vielfach werden sie als Sträucher eingeordnet. Beide bevorzugen feuchte Böden und fühlen sich daher in Auwäldern wohl.
Mönchspfeffer
Vitex agnus castus
Die Blätter des Mönchspfeffers sind das untrügliche Erkennungsmerkmal für den sogenannten Halbstrauch. Die schmalen Blätter sind handförmig angeordnet. Fünf bis sieben der schmalen lanzettenförmigen Blätter bilden die Blattgruppen, welche gegenständig an den Zweigen angeordnet sind. Die begehrten Fruchtstände des Mönchspfeffers ähneln denen des Echten Pfeffers mit kleinen Kügelchen.
Sommer-Flieder
Buddleja
Der Sommerflieder ist ein echter Blickfang. Seine dicken Blütenbüschel locken bevorzugt Schmetterlinge an. Ähnlich wie der Mönchspfeffer sind seine Blätter lanzettenförig und an der Unterseite filzig grau. Allerdings sind die Blätter eigenständig und nicht gruppiert. Nach der Blüte bilden sich braune längliche zapfenartige Gebilde, sogenannte Kapselfrüchte, welche die schwebenden Samen des Sommerflieders enthalten.
Manchmal ist der Wunsch einfach Vater des Gedanken. Beide Kandidaten sind beliebte Blühsträucher zur Zierde von Gärten und Parks. Der Sommerflieder ist eindeutig der Auffälligere. Beim Mönchspfeffer lohnt sich der Blick auf die Blätter ums sich sicher zu sein, dass er es auch ist.
Immer schön den Überblick behalten!