Geschenke des Orients
Die orientalischen Klassiker
Kräuter und Gewürze sind wahre Schätze!
Vieles, was heute ganz selbstverständlich in den Verkaufsregalen liegt, war lange Zeit für die Normalsterblichen unerschwingliche Luxusgüter. Um den Handel mit ihnen zu kontrollieren, wurden sogar Kriege geführt. Kaufmannsfamilien erwarben mit ihnen Reichtum und Macht. Ältere Menschen kennen noch den Begriff „Kolonialwarenladen“. Das Exotische und Exklusive finden Menschen immer wieder interessant. Gerade diese Neugier und das Interesse beförderten die Nachfrage an den Gewürzen und Kräutern aus fernen Ländern – dem Orient. Die Klassiker des Orients erachten wir mittlerweile als notwendig für unser Wohlbefinden.
Stern-Anis
Dioskurides, Hildegard von Bingen und Plinius Sekundus kannten und schätzten den Anis als Heilpflanze. Allerdings beschrieben sie nicht die heilende Wirkung des Sternanis, sondern den des damals im östlichen Mittelmeerraum beheimateten Anisum pimpinella. Das sind die dem Kümmel oder Fenchel ähnlichen kleinen Früchte mit ihrem typischen Duft und Geschmack. Für das original Vinschgauer Brot sind die Aniskörner eine unentbehrliche Backzutat, die obendrein die Bekömmlichkeit steigert.
Der Sternanis gelangte im 16. Jahrhundert aus China und Indien auf den Handelsrouten der Seefahrer nach Europa. Vorrangig waren die aromatischen Sternfrüchte ausschliesslich als Gewürz begehrt. Seine aromatische Note verbinden wir instinktiv mit Weihnachtsgebäck und heissen oder alkoholischen Getränken zur Winterszeit. Obwohl der Sternanis botanisch nicht mit dem Wiesenanis verwandt ist, wirken beide lindernd bei erkältungsbedingtem Husten und auch bei Verdauungsstörungen und Blähungen.
Zimt-Rinde
Vor allem wegen seines Duftes war der Zimt schon im alten Ägypten ein begehrtes Luxusgut. Er wurde zum Räuchern, als Ingridienz für die Herstellung von Salben und duftenden Ölen verwendet. Beheimatet sind die Zimtbäume, deren Rinde abgeschält und getrocknet werden, in Ceylon, im südlichen China, Laos, Vietnam, Malysia und Indonesien. Der qualitativ beste Zimt stammt aus Ceylon. Auf dem Seeweg wurde das wertvolle Gewürz ab dem 14. Jahrhundert nach Europa gebracht. Terretoriale Begehrlichkeiten lösten kriegerische Auseinandersetzungen um die Zugänge zu der duftenden gewinnträchtigen Zimtrinde aus. Die Portugiesen verloren das Zimtmonopol an die Niederländer, welche im 17. Jahrhundert vom britischen Empire abgelöst wurden.
Der Handel auf dem Landwege mit der Zimtrinde erreichte offenbar auch das westliche und nördliche Europa. Immerhin konnte im 11. Jahrhundert Hildegard von Bingen über die Behandlung und Einnahme von Zimt berichten. Sie war begeistert von der würzigen Rinde und hielt sie geeignet als Heilmittel gegen Gicht und verstopfte Nase. Tatsächlich liest sich aber Hildegards Rezeptur ähnlich der des traditionellen weihnachtlichen Glühweins.
Wie er seinen Weg in die alljährliche Weihnachtsbäckerei fand? Offenbar vertraute man seinen stimmungsaufhellenden Kräften und erhoffte sich Unterstützung bei der Verdauung in Zeiten vermehrter Kalorienzufuhr.
Gewürznelken
Die nagelförmigen getrockneten Blüten des Nelkenbaums waren bereits im Mittelalter ein begehrtes Handelsgut in unseren Breiten. Wahrscheinlich transportierten sie arabische Händler auf dem Landweg von Indien über die Weihrauchstrasse nach Mitteleuropa. Ein Luxusgut waren Nelken für die Römer der Antike. An Fürstenhöfen verliehen die Gewürznelken ausgewählten Speisen ein exotisches Aroma, mit dem man Gäste beeindruckte. Erst im 14. Jahrhundert verschifften die Niederländer aus ihren Kolonien Gewürznelken nach Europa und schufen sich damit ein Handelsmonopol. Die Wirkung und Anwendung der Gewürznelken waren unabhängig vom Handel auf dem Seewege bereits in der Antike, der heilkundigen Hildegard von Bingen und Paracelsus bekannt.
Hildegard pries die Wärme der schwarz braunen, scharf würzigen Gewürznelken.. Paracelsus vertraute schon auf ihre antibiotische Wirkung und empfahl sie zum Haltbarmachen des Bieres. Durchsetzungsfähiger waren die Rezepte der Äbtissin vom Rhein. Heissen Wein versetzt mit Gewürznelken und anderen Pflanzenbestandteilen setzte sie bei Schluckauf und Menstruationsstörungen ein. Später fand das Nelkenöl seinen Platz in der Zahnmedizin als Entzündungshemmer und Schmerzstiller.
Myrrhe
Myrrhe das Harz des stacheligen Myrrhestrauches war schon lange vor den Ägyptern ein begehrtes Handels- und Tauschgut. Die Unverderblichkeit der Ware und die lange Haltbarkeit des Harzes gestattete eine weite Verbreitung fern über den Norden Afrikas und Arabiens hinaus. Bedarf für die wohlduftenden Essenzen der Myrrhe war wohl immer vorhanden. Die Mächtigen der Welt schmückten sich mit seinem Duft. Für kultische Handlungen benötigten sie den Wohlduft räuchernder Myrrhe in guten wie auch in schlechten Zeiten.
Wenn heute von dem sagenhaften Reichtum, den die Karawanen durch die Wüsten schleppten gesprochen wird ist mit Sicherheit nicht das Metall Gold gemeint. Schätze, wie Weihrauch und Myrrhe liessen sich zu diesen Zeiten mit Gold aufwiegen und führten zu den legendären Reichtümern arabischer Stämme entlang der Handelsrouten.
Ein begehrter Rohstoff für die Parfümherstellung und das wohlriechende Salböl war die Myrrhe von Alters her. Als Mittel gegen Migräne notierte Hildegard von Bingen ein heute wohl nicht mehr gebräuchliches Rezept in ihren Aufzeichnungen. In unseren Tagen ist die Myrrhe wieder in den Fokus der pharmakologischen Forschung gerückt. Ihre entzündungshemmende Wirkung im Mund- und Rachenraum sowie für den Magen-Darm-Trakt wecken das Interesse der Forscher als pflanzliche Alternative zu herkömmlichen Therapiestrategien. Die positive Wirkung auf die Psyche hat sie zum zentralen Bestandteil der Aromatherapie gemacht.
Granatapfel
Die ursprüngliche Heimat des Granatapfelbaumes liegt in Nordindien, in Armenien und im Irak. Genau lässt sich heute nicht nachvollziehen, wie er sich in über den gesamten Mittelmeerraum und bis nach Asien ausgebreitet hat. Immer wurde der Granatapfel besungen, beschrieben oder als Metapher verwendet. Im Nahen Osten sind die Früchte für die leckere Küche nicht wegzudenken. Der Farbstoff seiner Früchte wurde zum Färben der Wolle für Teppiche verwendet. Allein die ästhetische Form seiner Früchte ist bemerkenswert. Die fleischigen scharlachroten Fruchtstücke, die unter der aufbrechenden Schale sichtbar werden, regen bei dem einen die Fantasie an. Für andere ist sie eine Quelle künstlerischer und philosophischer Inspiration. Granatäpfel schmückten schon Grabbeigaben der Ägypter, die Goldene Lade Jahwes und die Ölgemälder der Renaissance-Maler.
Für die Heilkunde ist der Granatapfel aufgrund seines Reichtums an Antioxidanten interessant. Mehr als eine Empfehlung für den Speiseplan ist vorerst nicht herausgekommen. Allerdings die enthaltenen Polyphenole könnten Granatäpfel für die Behandlung von Bluthochdruck interessant machen.
Weihrauch
Eine der ältesten Handelsstrassen ist nach dem Handelsgut Weihrauch benannt. Sie führte von Dhofar kreuz und quer über die arabische Halbinsel nach Alexandria, dem Drehkreuz des Handels im Nahen Osten. Jahrtausendelang war es ein gut gehütetes Geheimnis, woher genau orientalische Händler Weihrauch und Myrrhe bezogen. Weihrauch wurde wie Gold gehandelt. Die Römer vermuteten, dass aufgrund der hohen Preise, die arabischen Händler und die Produzenten einen unermesslichen Reichtum erwirtschafteten. In ihrer Vorstellung waren die Gebiete, wo der Boswelia-Strauch wächst, sehr reich. Sie nannte sie ‚Felix Arabia‘ – glückliches Arabien. Für den damaligen Jemen könnte es zutreffend gewesen sein, wenn die Schilderungen bezüglich der legendären Königin von Saba stimmen. Für den Wohlstand Somalias bleiben Zweifel.
Noch immer wird das Harz des Weihrauchs auf der arabischen Halbinsel geerntet und findet von dort seinen Weg in alle Welt. Ein Teil der weltweiten Weihrauchproduktion stammt mittlerweile aus Indien. Die Verwendung für kultische Zwecke ist rückläufig. Die Kosmetikindustrie schätzt Weihrauch als Grundstoff für wertvolle Duftstoffe und Parfums. In der Heilkunde scheint der Weihrauch ein Potenzial als natürlicher Entzündungshemmer zu besitzen. Im Zusammenhang mit der zunehmenden Resistenzbildungen von Antibiotika könnte Weihrauch eine zusätzliche alternative Behandlungsoption sein:
Sennes-Blätter
Offensichtlich war das 19. Jahrhundert eine harte Zeit, was scheinbar auf für den ganz normalen Stuhlgang galt. Im ägyptischen Alexandria hatte man sich das Monopol für Sennesblätter und -früchte gesichert. Flussaufwärt im Niltal gediehen die Sennapflanzen vorzüglich. Übers Mittelmeer versorgte der Hafen direkt die ganze Welt mit einem schon von Paracelsus hochgelobten Abführmittel. Ebenso soll angeblich der Prophet Mohammed lobende Worte für die Sennesblätter und den Kümmel gefunden haben. Vorausgesetzt er ist tatsächlich der Urheber des Zitats: so fürchtete er die Verstopfung wie den Tod.
Verstopfung und harter Stuhlgang sind nicht nur unangenehm, sie belasten auch Körperfunktionen. Da sind nicht nur die Schmerzen bei Hämorrhoiden, sondern auch die Anstrengungen des Herzens und des Kreislaufes durch heftiges Pressen. Neben dem Wohlbefinden hat das „Grosse Geschäft“ auch Auswirkungen auf den ganz normalen Stoffwechsel.
Ingwer
Ausgerechnet venezianische Kaufleute sollten es gewesen sein, die den Ingwer aus China nach Europa brachten. Die Angaben dazu sind sehr widersprüchlich. Bereist Alexander der Grosse soll sich mit der Wurzel kurieren lassen haben. Galen, Dioskurides und Plinius verschrieben ihn auch. Angeblich sollen die Wurzeln bereits über die Seidenstrasse auf dem Landweg nach Europa gekarrt worden sein. Das würde erklären, wieso die altehrwürdige Äbtissin Hildegard von Bingen sich sehr ausführlich mit dem Wurzelwerk befasste. Ob sie jemals Ingwerwurzeln tatsächlich in der Hand gehalten hat, wird für immer ein Rätsel bleiben, wie ihre Schilderungen von Drachen und Einhörnern. Immerhin beeindruckten sie seine Wirkung als Aphrodisakum. Dennoch war es noch ein langer Weg bis in die Supermarktregale am Ende des letzten Jahrhunderts.