In schlimmen Zeiten
Quarantäne für alle. Das gab es noch nie!
Wir haben die Zuversicht: es wurde Schlimmeres verhindert.
Beim zufälligen Stöbern im Bücherschrank fiel mir auf, dass das Wirken von Seuchen recht beachtlichen Widerhall in der Literatur gefunden hat. Die Konstante ist: sie reflektieren stets die Auseinandersetzung mit dem Ungewissen, dem Sterben und der Liebe. Ich bin gespannt, welche Geschichten, Erzählungen und Essays über die Zeit des grossen „Lock Downs“ während Cov-19 im Jahre 2020 verfasst werden.
„Angst war der Anfang, Angst und Lust und eine entsetzte Neugier nach dem, was kommen wollte.“
THOMAS MANN; TOD IN VENEDIG
„… die gleiche Hilflosigkeit, der gleiche Aktionismus“ titelt das Spiegel-Magazin in seiner neuesten Ausgabe. Das intellektuelle Bildungsbürgertum wiegt sich in seiner scheinbaren Überlegenheit, des besseren Wissens, des besseren Zugangs zu Heilungsangeboten, einer allumfassenden Weltkenntnis. Ahnungslosigkeit folgt Panik. Die Gebrauchsanweisungen für das gelingende Leben sind plötzlich wertlos geworden. Darin zeigen sich die gleichen Ängste, die selbe Verzweiflung und eine nicht zu verleugnende Unsicherheit vor der unbekannten Bedrohung, deren Ausmass und Folgen keiner vorauszusagen in der Lage ist. Natürlich ist Angst ein Reflex auf Bedrohungen. Es ist allzu menschlich, das wir handeln, handeln wollen, handeln müssen um der Bedrohung, dem Ungewissen etwas entgegenzusetzen.
Aromatische Kräuter im Kampf gegen den Schwarzen Tod:
War es Aktionismus oder der Rückgriff auf Altbewährtes, der Pestärzte veranlasste Kräuter wie Wachholder, Melisse, Minze, Gewürznelken, Myrrhe, Rosen und Kampfer in ihre Pestmasken zu stopfen? Nein, es war für sie die einzig erträgliche Massnahme in Zeiten der Epedemien, so ihrem Auftrag nachgehen zu können. Ob die Kräuter in der Nase der Pestmaske tatsächlich eine schützende Wirkung hatten, darüber kann man streiten. Historiker, Medizinhistoriker und andere Menschen, die sich damit auskennen, sind sich in der Bewertung der Wirksamkeit uneins. Vielleicht war es eine Art Aromatherapie, die ihnen half, weiterzumachen, durchzuhalten und das Elend zu ertragen. Denn gerade dieses Weitermachen war kein Zeichen einer verzweifelten Zuversicht, sondern vielmehr ein Zeichen der Menschlichkeit und der Hoffnung.
„Seine zuversichtliche Hoffnung war, sich eine Lungenentzündung zu holen und an ihr unauffällig zu sterben.„
KLAUS MANN; SYMPONIE PATHETIQUE
Mag man es Aktionismus oder einfach den Willen Weiterzuleben nennen. Wenn alles nichts half, besannen sich die Menschen auf Altbewährtes und die Natur. Beispielsweise erwähnte die ausgewiesene Kräuterexpertin Frau Dr. Prentner in einem Gespräch, dass die Menschen in früheren Zeiten ein Extrakt aus Tannenzweigen nutzten. Sie reinigten damit die Krankenzimmer. Nachweise über die tatsächliche Keimminderung durch die ätherischen Öle von Tannen-, Fichten- oder Kiefernzweigen konnte ich bis jetzt keine finden. Immerhin verbesserte der frische Tannenduft die Raumluftqualität in den Patientenzimmern – mit dem Ergebnis: die Erkrankten konnten besser atmen. Das klingt nach der vielgepriesenen Aromatherapie. Mit Wahrnehmen guter Gerüche verbessert sich das Wohlbefinden, so die Beobachtungen, und nicht selten der Allgemeinzustand – nicht nur bei Alten und Kranken.
Übrigens das Tannenextrakt wird noch heute nach der Original-Rezeptur in der Mariazeller Apotheke „Zur Gnadenmutter“ hergestellt, (Achtung Schleichwerbung!) und ist auch da erhältlich. Waldesduft in den eigenen vier Wänden ist nicht jedermanns Geschmack. Da wären noch Wachholder, Bergamotte und Lavendel im Spiel. Letzteres hilft erwiesenermassen bei Angst, Stress, Nervosität und mentalen Verstimmungen. Das sind auch die Themen, die in den vergangenen Tagen vermehrt auf dieser Website aufgerufen wurden. Was hindert uns daran, uns gute Düfte zuzuführen, gute Stimmung zu verbreiten und mit ein wenig Gelassenheit durch diese schwere Zeit zu gehen?
„…, sah seine unerschrockene Liebe und erschrak über den späten Verdacht, daß nicht so sehr der Tod, vielmehr das Leben keine Grenzen kennt.“
GABREIL GARCÌA MÀRQUEZ, LIEBE IN ZEITEN DER CHOLERA
Die wirksamste Massnahme zur Abwehr von Seuchen war stets die Verbesserung der hygienischen Bedingungen. Die Pest lehrte uns, Ratten und andere Nager aus unseren Wohnungen und Häusern fern zu halten. Die Cholera bekam Hamburg erst in Griff, als sich die Stadt für eine umfassende Sanierung der Versorgung mit Trinkwasser und der Entsorgung von Abwässern widmete. Es brauchte dafür kluge und durchsetzungsfähige Köpfe. In München war es Max von Pettenkofer. Robert Koch war es in Berlin. London hatte Sir Joseph William Bazalgette.
Einen Extrakt aus Tannenzweigen nutzte man in früheren Zeiten zum Reinigen von Krankenzimmern.
Schlau war man immer erst hinterher. Vielleicht hat der Rest der Menschheit im Zuge von COV-19 nun auch gelernt, Toilettenpapier zu benutzten, und sich die Hände zu waschen. Was den enormen Bedarf an Handseife und Toilettenpapier der letzten Wochen – man nennt es auch Hamsterkäufe – logisch erklären würde. Hoffentlich erinnern wir uns recht bald der schlechten Zeiten!