Schöllkraut rehabilitiert!
Beinahe unbemerkt gewinnt in diesen Tagen das zu Unrecht geschmähte Schöllkraut seine wohlverdiente Anerkennung zurück. Ganz und gar königlich in Szene gesetzt wurde es während der ersten Tage des Monats Mai. Als goldenes Blüten-Ornament schmückte das Schöllkraut vereint mit stilisierten Gänseblümchen, Acker-Gauchheil und Vergissmeinnicht das weisse Seidenkleid, das Königin Camilla zu ihrer und Charles III. Krönung trug. Nur wenige haben die zarten Blumenstickereien auf dem edlen Stoff wahrgenommen. Alle Welt war von der pompösen Zeremonie beeindruckt. Mit der Auswahl der dargestellten Pflanzen wollten die Königin und der König ihre Liebe zur Natur und ihre Verbundenheit mit der britischen Landschaft Ausdruck verleihen, so eine Verlautbarung des britischen Königshauses. Was für eine königliche Überraschung: das Schöllkraut ist eine typisch britische Pflanze!
Still und leise vollzieht sich auch die Rehabilitation des Schöllkrautes an den Ufern des Rheins in Leverkusen. Die Geschäfte mit dem Magen-Darm-Mittel, das Schöllkraut-Extrakte enthält, laufen gut, versichert die Presseabteilung der Bayer AG. Inwiefern die Kunden auf die schöllkrautfreie Variante ausgewichen sind, mag niemand sagen. Die neue Variante, die nach dem Skandal um den Beipackzettel, auf den Markt gebracht wurde, hätte ein abweichendes Wirkungsspektrum. Wen wundert das? Es ist ja kein Schöllkraut drin!
Nach einem langen, feuchten und kalten Frühjahr haben sich die Schöllkräuter in diesem Jahr üppig entfaltet. Lange muss keiner suchen. Es sind sogenannte Rural-Pflanzen. Sie lieben stickstoffreiche Böden. Die finden sich in der Nähe menschlicher Ansiedlungen. Freundliche gelbe Blütenköpfchen nicken im Wind. Brechen ihre Stengel, so tritt milchiger gelblich-orangefarbener Saft aus, der durch Auftragen auf die Haut Warzen beseitigen kann. Von dieser Fähigkeit leitet sich die ziemlich grobe Bezeichnung des Schöllkrauts als Warzenkraut ab.