Weihrauch – das Odeur des Orients
Weihrauch (Boswellia, Gummi olibanum)
In jüngster Vergangenheit wurde Weihrauch des Öfteren als psychoaktive Droge kolportiert. Verantwortlich schien das im Weihrauchharz enthaltene Incensol zu sein. Ähnlich wie Cannabinoide besitzt Incensol die bereits bekannten Eigenschaften, Angstgefühle und Depressionen zu reduzieren. Allerdings bei einer durchschnittlichen Incensol-Konzentration von rund 3% im Weihrauchharz sinkt beim Verbrennen die Wirkstoff-Konzentration in der Raumluft sehr weit in den Promille-Bereich. Daher erscheint es unwahrscheinlich, dass die stimmungsaufhellenden Effekte bei Räucherzeremonien dem Weihrauch direkt zuzuschreiben sind. Zudem konnte die Wirkung bisher lediglich an Mäusen im Laborversuch nachgewiesen werden.
Viel Dampf um nichts
Mit Sicherheit atmen Priester, die ein brennendes Weihrauchfäßchen schwenken, eine etwas höhere Konzentration ein. Sie aber deshalb als privilegierte Kiffer zu bezeichnen, entbehrt einer rationalen und wissenschaftlichen Begründung. Es wäre ebenso absurd, die Ausgelassenheit bei Geburtstagsfeiern dem Lachgas zuzuschreiben, das als Treibgas für die Sprühsahne verwendet wurde, die dann zufällig als Dekoration für die Fruchttorte dient.
Daher bleibt es lediglich bei der Vermutung, dass die möglicherweise auftretenden psychischen Effekte einer der Gründe für die Räucherungen mit Weihrauch bei religiösen und kultischen Handlungen sein könnten. Vordergründig scheinen eher die positiven Aspekte der Aromatherapie zu stehen, bei der Wohlgerüche uns in positive Stimmungen und emotionale Schwingungen versetzen. Rituale und Inszenierungen werden immer wieder von Menschen geschaffen und wiederholt, um unsere Sinneseindrücke gezielt zu stimulieren. Wohltuende Klänge, Farben und Gerüche rufen positive Erinnerungen in uns wach, und werden auch immer wieder im Unterbewusstsein gespeichert. Zeremonien mit Gesang, Kerzenlicht, schönen Bildern und heilsprechenden Worten, bei denen auch Wolken balsamisch würzig duftenden Rauchs entfacht werden, sind multisensorisch. Wird nur einer dieser Reize im menschlichen Hirn abgerufen, kann die mit dem Erlebnis verbundene Stimmung immer wieder aktiviert werden. Mit diesem Wissen verwundert es nicht, dass in der Kathedrale von Santiago de Compostella mit vollem Schwung ein riesiges Weihrauchfass, zur Begeisterung der Messteilnehmer, quer durchs Kirchenschiff geschaukelt wird.
Etwas für Feinriecher
Die Kraft der Rituale scheint aktuell nicht mehr im gesellschaftlichen Bewusstsein verankert zu sein. Vielmehr sind wir mit kurzweiligen Ablenkungen beschäftigt und an ihnen interessiert. Für Stimmungsänderungen werden wirkungsvolle und schnellwirkende Stoffe bevorzugt und nachgefragt. Sie müssen „knallen“ und uns unmittelbar aus der Realität „beamen“. Vielleicht ist jetzt gerade zu Weihnachten die Zeit gekommen, uns einiger frohstimmender Rituale zu erinnern, und sie wieder in unser Leben zurück zu holen.
„Du hast dich auf ein prunkvolles Lager gesetzt; davor stand ein Tisch bereit, auf dem du meinen Weihrauch und mein Öl gestellt hattest.“
EZECHIEL 23,41
Weihrauch ist das duftende luftgetrocknete Harz der Boswellia-Bäume. Es ist ein begehrter Rohstoff für die Kosmetikindustrie bei der Herstellung von Parfums. Unterschiedliche Duftnoten des Weihrauches entstehen bei der Harzgewinnung aufgrund verschiedener Sorten der Boswellia-Bäume. Hauptproduzenten des wohlriechenden Harzes sind die Länder des südlichen Orients und Indien. Den größten Teil der Weihrauchharzproduktion liefert das ostafrikanische Land Somalia. Boswllia sacra ist die bekannteste Baumart unter den pflanzlichen Lieferanten des würzigen Duftharzes. Qualitative Unterschiede ergeben sich aus den variierenden Erntezeitpunkten. Ähnlich wie beim Olivenöl unterscheidet man beim Weihrauch drei verschiedene Qualitäten. Die letzte Ernte von dreien pro Saison ergibt das beste Weihrauchharz. Das sind die hellen Harzklümpchen mit der gleichmässigen Färbung.
Unerklärlicherweise nahm die Bedeutung als Arzneimittel im Laufe der letzten beiden Jahrhunderte immer mehr ab. Obwohl die Behandlung rheumatischen Gelenkschmerzen und Entzündungen mit Weihrauchharz gebräuchlich war. Dem entsprechend zurückhaltend sind die europäischen (EMA/HMPC) und auch die deutschen Zulassungsbehörden (Kommission E) bei der Bewertung von Weihrauch als pflanzliches Heilmittel. Bisher wurden keine Monografien erstellt und befinden sich nach aktuellem Kenntnisstand nicht in der Diskussion. Selbst die ESCOP hält sich mit einer Bewertung zurück. Möglicherweise hängt das auch mit den starken Schwankungen in der Zusammensetzung der Inhalts- und Wirkstoffe der verschiedenen Weihrauchsorten und -qualitäten zusammen.
Indischer Weihrauch bei Darmentzündungen
Nur der indische Weihrauch (Boswellia serrata) findet für den medizinischen Gebrauch Anwendung und ist im europäischen Arzneibuch beschrieben. Die Verantwortung für die Her- und Bereitstellung von verordneten Arzneimitteln aus Weihrauch liegt somit bei den Apothekern. Sie können die erforderliche Konzentration und Dosierung der Arzneimittel gewährleisten.
Im Bereich der klinischen Medizin ist man in den letzten Jahren wieder auf das Weihrauchharz aufmerksam geworden und konnte zielführende Forschungsergebnisse präsentieren. Zum Teil wurden sie bereits in standardisierte Behandlungsregimes überführt. Die Boswelliasäuren des indischen Weihrauchs haben demnach die Eigenschaft, Entzündungsreaktionen zu verringern, in dem sie in die körpereigene Immunabwehr eingreifen. Wie Forscher der Universität Jena herausfanden, sind Boswelliasäuren in der Lage, das Prostaglandin – ein bei jeder Entzündung beteiligtes Enzym, in seiner Synthese zu behindern. Bei Fintelmann et al. kann man in seinem Standardwerk einen weiteren möglichen Weg zur Beeinflussung der Immunabwehr durch die Boswelliasäuren bei Entzündungen nachlesen. Hierbei werden Moleküle gehemmt, welche die Weit oder -engstellung der Blutgefäße beeinflussen.
Wie es scheint, könnte Weihrauchextrakt bei bestimmten entzündlichen Darmerkrankungen aufgrund einer besseren Verträglichkeit bisherige Standardmedikamente ersetzen. Von Selbstversuchen wird an dieser Stelle dringend abgeraten! Dafür gibt es Spezialisten. Beispielsweise hat das Zentrum für Integrative Gastroenterologie an der Klinik für Naturheilkunde und Integrative Medizin bei den Kliniken Essen-Mitte einen angesehenen Expertenstatus.
Inhaltsstoffe:
Ätherische Öle, α-Thujen, β-
Wirkung:
entzündungshemmend, antirheumatisch, schmerzstillend, fungizid, herbizid, antiviral, immunstimulierend