Wenns Baucherl brummt, ist ’s Herzel gesund.
Der Wahrheit einer uralten Volksweisheit auf der Spur
Einst traf ich einen weisen Mann von den Seychellen. Das Grummeln aus meinem Körperinneren, wie man Bauchgeräusche zuweilen nennt, quittierte er lächelnd mit einem Satz: „Dein Bauch singt.“ Generell sind uns die Verdauungsgeräusche unangenehm und wir versuchen sie zu überspielen. So, auch ich. Weiter bemerkte er: „Du hast einen glücklichen Bauch, wenn er singt.“ Das Gespräch zwischen uns beiden zeigt, dass andere Kulturen offenbar weniger unverkrampft als wir Deutsche mit dem Thema Verdauung umgehen.
Klar, habe ich mich gefragt, was ist ein glücklicher Bauch? Ganz neu war mir der Sinn der Bemerkung nicht. Ein gern kolportiertes Thema in Zeitschriften und Foren allen Coleurs ist der wahrscheinliche Zusammenhang von Darmgesundheit und der Psyche. Oder wie es auch noch die Bayern recht knackig formulieren: „Wenn’s Arscherl brummt, ist’s Herzel gsund!“ Obwohl die Redewendung eher auf die altertümliche Annahme – das Herz als Empfindungsorgan – abzielt. Wie recht sie doch haben! Die Bestätigung kommt ausgerechnet aus dem rheinland-pfälzischen Mainz. Eine Forschergruppe der Gutenberg-Universität untersuchte die Zusammenhänge zwischen dem Zustand des Mikrobioms (Darmflora) im Verdauungstrakt und der Gesundheit des Herzens.[1] Sie stiessen dabei auf eine interessante Stoffverbindung – die Polyphenole.
Der Bauch ist ein Mysterium.
Was auf den ersten Blick allzu chemisch klingt, ist in der Welt der Pflanzen und Kräuter allgegenwärtig. Polyphenole zählen zu den typischen Pflanzeninhaltsstoffen, z.B. die Flavonoide, Procyanidine, Gallussäure, Zimtsäurederivate u. v. a. . Seit längerem bekannt ist, dass die Polyphenole antioxidante, entzündungshemmende und anitkarzergene Wirkungen auf den menschlichen Organismus entwickeln können. Wobei die Polyphenole selbst eine geringe Bioverfügbarkeit haben. Das heisst, über die Nahrungsaufnahme gelangt nur ein sehr geringer Anteil direkt in den pharmakodynamischen Kreislauf. Der grössere Teil der Polyphenole wird durch die im Mikrobiom (Darmflora) vorhandenen Bakterienstämme zu wirksamen Bausteinen, die Funktionen im Körper steuern, verstoffwechselt.
Granatäpfel (Punica granantum) gelten als besonders reich an Polyphenolen. Die antioxidante Wirkung der Früchte hat den Granatapfel immer weiter ins Zentrum des Interesses der alternativen Medizin rücken lassen. Beschrieben sind z.B. positive Wirkungen bei Herz-Kreislauf-Leiden. Als grösstes Problem für die Anerkennung als Heilmittel hat sich die Konzentration der Wirkstoffe erwiesen. Die Studienlage ist für eine ausreichende Bewertung zu dünn. Bevor auf jedem Fruchtsaft mit Granatapfelzusätzen ‚gesundheitsfördernd‘ steht, hält man sich vorsorglich im Sinne des Verbraucherschutzes zurück. Das Laben am süssen Saft der Granatäpfel ist seit Moses Zeiten als ein besonderer Genuss besungen. Die Vitamine, Mineralien und Spurenelemente der süssen roten Fruchtperlen sind in jedem Fall ein sinnvoller Beitrag für eine gesunde Ernährung und fürs Wohlbefinden.[2]
Sie wirken im Verborgenen.
Die aktuelle Studienlage zeigt, dass das Wirkungsspektrum der Polyphenole auch in der Beeinflussung des Mikrobioms liegt. Das würde statt einer direkten für eine indirekte Wirkung sprechen. Offenbar hindern oder fördern Polyphenole die Entwicklung verschiedener Bakterienkulturen, deren Stoffwechselprodukte wiederum als Signalstoffe in den Gesamtorganismus eingreifen. Der exakte Mechanismus wie Polyphenole genau wirken, wird die Wissenschaft in den kommenden Jahren weiterhin beschäftigen.
Polyphenolreiche Pflanzen:
Forscher am Deutschen Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung beobachteten, dass Patienten mit einer Herzinsuffizienz (Herzschwäche) eine reduzierte Anzahl an Bakteriengattungen und -familien in ihrer Darmflora aufweisen. Das weist auf ein verändertes Darm-Mikrobiom hin. Sie sehen in den fehlenden Bakterienstämmen einen potenziellen Faktor für das Bestehen und die Pathogenese einer Herzschwäche.[3] Hierbei stellen sie sich die Fragen, ist der Mangel eine Folge der Erkrankung? Oder resultiert die Erkrankung aus der gestörten Darmflora?
Wer hat an der Uhr gedreht?
Ein wesentlicher Punkt bei der Entstehung von Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems scheint der Circadiane Rhythmus zu sein. Man spricht auch von der „Inneren Uhr“. Die Regulierung dieser inneren Uhr unterliegt einer Vielzahl von inneren und äusseren Einflüssen. Zu einem ist der Tag-Nacht-Rhythmus, also das Schlafverhalten, verantwortlich. Zum anderen spielen Faktoren, wie die Ernährung als „Zeitgeber“ und die Darmgesundheit keine untergeordnete Rolle. Bei einer nachhaltigen über einen längeren Zeitraum bestehenden Störung des Circadianen Rhythmus‘ erhöht sich gleichzeitig das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Bekannt ist das Phänomen bei Personen, die in Nacht-Schichten arbeiten.[4] Offensichtlich, sind Polyphenole in der Lage positiv auf das Circadiane System einzuwirken. Durch die Beeinflussung der Darmflora einerseits und der Produktion spezifischer Botenstoffe, sind sie in der Lage, Aktivierungen des Organismus auszulösen, die vorher nur eingeschränkt vorhanden waren oder fehlten.
Bewährte Verdauungskräuter:
Das Grummeln und andere Verdauungsgeräusche sollten uns nicht weiter stören. Der Bauch arbeitet und Arbeit verursacht nun mal Geräusche. Dass dabei auch Gase entstehen, ist vollkommen normal und wird in den kommenden Wochen noch zunehmen. Mit dem einbrechenden Herbst beginnt wieder die Kohlsaison. Nur weil ein leckeres Kohlgericht Blähungen auslöst, werden wir hoffentlich nicht gleich von einer Kohl-Intoleranz sprechen. Ein paar Körner Kümmel in die Suppe sind nicht nur eine gute Würze, sondern sie helfen dem Magen und Darm beim Verdauen, beugen Krämpfen vor, wirken entblähend – damit der Bauch ein Glücklicher ist!
Ausgelassen leben und zugleich gesund bleiben ist kein Widerspruch!
Nicht unüblich bei unseren französischen Nachbarn ist, nach einem reichhaltigen Mal, dem Gast noch eine „L’infusion“ anzubieten. Mit einer Infusion sind hierbei weder ein alkoholisches Getränk, noch eine medizinische Behandlung gemeint. Mit einer „L’infusion“ wird im französischen Sprachgebrauch der Aufguss von Kräutern bezeichnet. Hierzulande sagt man ganz einfach Kräutertee. Die Feinschmecker von nebenan vertrauen also auf die Kraft der Kräuter, um ihre Verdauung vernünftig anzukurbeln. Kräuter sind neben einem köstlichen Aroma auch reich an wertvollen Inhaltsstoffen, wie beispielsweise an Polyphenolen.
Eine leckere Rezept-Idee!
Quellen:
[1] The roles of gut microbiota and circadian rhythm in the cardiovascular protective effects of polyphenols; Andy W.C. Man, Ning Xia, Andreas Daiber, Huige Li, https://doi.org/10.1111/bph.14850.
[2] https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/daz-az/2007/daz-51-2007/granatapfel-heilfrucht-mit-protektiver-wirkung
[3] Heart failure is associated with depletion of core intestinal microbiota; Mark Luedde, Thorben Winkler, Femke‐Anouska Heinsen, Malte C. Rühlemann, Martina E. Spehlmann, Amer Bajrovic Wolfgang Lieb, Andre Franke Stephan J. Ott Norbert Frey, https://doi.org/10.1002/ehf2.12155.
[4] Shift work and vascular events: systematic review and meta-analysis; BMJ 2012; 345 doi: https://doi.org/10.1136/bmj.e4800