Weshalb wir nicht über Cannabis berichten.
Der gute alte Hanf ist nie so richtig aus der Mode gekommen. Vielen Kulturen brachte der Anbau von Hanfpflanzen (Cannabis) Wohlstand und Fortschritt. Wer sich allerdings jetzt die alten Ägypter kiffend am Fusse der Pyramiden vorstellt, liegt vollkommen falsch. Wahrscheinlich wurde der Hanf (Cannabis sativa L.) zuerst in China einige Jahrtausende vor unserer Zeitrechnung als Nutzpflanze kultiviert. Auch wenn es in diesen Tagen wenig glaubwürdig klingt: das Wertvollste am Hanf sind seine Fasern! Ohne Seile und Taue aus Hanf wären wohl kaum die imposantesten Bauten und Entdeckungen der Menschheitsgeschichte möglich gewesen. Selbst in unseren Tagen lässt sich die Elastizität und Belastbarkeit der Hanffasern schwer durch andere Werkstoffe ersetzen.
Die Begehrlichkeiten für den landwirtschaftlichen Anbau von Hanfpflanzen in diesen Tagen ist weniger einem steigenden Bedarf an stabilen Fasern geschuldet. Gründe für die steigende Nachfrage nach Hanf liegen im zunehmenden Interesse an den Inhaltsstoffen seiner weiblichen Blüten. Hanfpflanzen (Cannabis) sind in der Regel diözisch. Das heisst, es gibt weibliche und männliche Pflanzen. Im Gegensatz zu den männlichen Pflanzen verfügen die weiblichen über wesentlich mehr Cannabisharzdrüsen in ihren Blüten und in den Blättern. Daher sind die weiblichen Pflanzen die Bevorzugten für die sogenannte Fernsterbankzucht. Im Laufe des Wachstums bildet die Pflanze in den Cannabisharzdrüsen die sogenannten Phytocannabinoide. Genauer gesagt handelt es sich um das berauschende THC, das CBG und das hippe marketingpotente CBD. Insgesamt soll es sich um rund 60 Cannabinoide handeln. Einen steigenden Bedarf für THC (Tetrahydrocannabinol) erwarten die traditionellen Hanfbauern und die Start-up-Farmer-Szene aufgrund der angestrebten Legalisierung von Besitz und Genuss dieses Stoffes.
Weibliche Blüten wecken Begierden.
Vom Preis der Freiheit
Es scheint das Glück dieser Welt an der Freigabe von Cannabis zu liegen. Die Kluft zwischen Zustimmung und Ablehnung vergrössert sich scheinbar immer mehr. Kompromisse und Annäherungen werden im Meinungskampf von Gegnern und Befürwortern schon im Ansatz niedergerungen. Fast drängt sich schon Verständnis für die hysterischen Reaktionen einer bayerischen Staatsregierung auf, allerdings nur wenn man das Versagen des Freistaats Bayern beim Umgang mit der Droge „Crystal“ berücksichtigt. Weder in der Prävention, noch bei der Eindämmung des Konsums oder in der Versorgung von Crystal-Süchtigen konnte der Freistaat bisher bahnbrechende Erfolge vorweisen. Kein Wunder, dass in der Staatskanzlei im Angesicht einer bevorstehenden Legalisierung der berauschenden Droge schiere Panik ausbricht. Auf der anderen Seite argumentiert die Fraktion des „selbstbestimmten Rausches“ mit einer scheinbaren Harmlosigkeit der Droge. Ihnen sei an dieser Stelle ihr legitimes Recht auf Selbstbestimmung nicht abgesprochen. Nur sei der Hinweis erlaubt, dass die Begrifflichkeit Selbstbestimmung kein Lossprechen von jeglicher Verantwortung beinhaltet. Bei THC handelt es sich um eine Droge mit psychotropen Wirkungen.
Droge als Medizin
Der therapeutische Nutzen von Cannabis, THC und Dronabinol ist mittlerweile unbestritten. Wer schon erlebt hat, wie schwerkranke Patienten von den schmerzlindernden und angstlösenden Wirkungen profitieren können, wundert sich über die Zurückhaltung von Medizinern bei der Verschreibung und Anwendung von Cannabis-Präparaten. Das therapeutische Potenzial von THC liegt im muskelentspannenden, antiemetischen und analgetischen Wirkungsspektrum vor allem bei chronischen Schmerzen. Unbestritten, dass es keine Arznei und keine Droge frei von unerwünschten Arzneimittelwirkungen gibt. Mögliche Interaktionen mit anderen Medikamenten und die Auswirkungen auf Wirkstoffspiegel sind Risikofaktoren, welche die medizinisch-therapeutische Anwendung auch von Cannabis-Drogen limitieren. Ethisch zweifelhaftes Verhalten ist allerdings die wegschauende Akzeptanz von Ärzten, wenn Patienten wegen Nichtverschreibens dann zur Selbstmedikation mit Cannabis-Produkten greifen. Medizinische Risiken werden damit nicht minimiert. Patienten werden mit der illegalen Beschaffung zusätzlich belastet und stigmatisiert. Die oft von Ärzten gezeigte Abneigung gegen Cannabis-Präparate könnte ganz spekulativ mit ihren eigenen Drogenerfahrungen korrelieren. Etwas, das bisher als Partydroge im persönlichen Erfahrungsschatz verankert ist, wird dann möglicherweise nicht mehr als potente Arznei wahrgenommen.
Spassbremse oder rote Augen
Entspannte Partygänger mit geröteten Augen werden schnell als Kiffer identifiziert. Der Cannabisrausch ist längst gesellschaftlich akzeptiert. Die 68er-Generation kann ihren Kindern und Enkeln schwerlich vorenthalten, was ihrer Jugend ein Gefühl von Freiheit zumindest in ihren Träumen bescherte. Eltern sind immer problematische Vorbilder. Da gibt es Väter, die ihre Söhne vom Trinken abhalten wollen. Wiederum für andere Väter wird der Sohn erst mit Vollrausch zum Mann. Die Praxis zeigt, es gibt kein allgemeingültiges Rezept für den kontrollierten vernünftigen Rausch. Ein Rausch ist immer vom Kontrollverlust begleitet. Daran seien die Verfechter des „selbstbestimmten Rausches“ erinnert. Die Schwächsten unter uns werden immer nach einem Rauscherlebnis ohne Rücksicht auf die Folgen und Konsequenzen suchen, selbst wenn es das „relativ harmlose Haschisch“ ist. Harmlos ist dieser Kontrollverlust bei Weitem nicht! Keine wissenschaftlichen Belege konnten bisher für die seit Jahrzehnten vorgetragene Theorie des Cannabis als Einsteigerdroge erbracht werden. Hingegen, zutreffend ist die kontinuierliche Abnahme von mentaler und psychischer Leistungsfähigkeit bei Dauergebrauch. Kein Geheimnis ist, dass bestehende psychische Vorerkrankungen durch den Genuss von THC-haltigen Präparaten getriggert werden können. An diesem Punkt entzündet sich der Streit zwischen Befürwortern und Gegnern einer Freigabe des Cannabis-Konsums.
Viel Rauch um Nichts
Rauschfrei und ganz ohne Nebenwirkungen sei ein weiterer Inhaltsstoff der Cannabis-Blüten – so oder ähnlich suggerieren es seit rund fünf Jahren Hersteller und Anbieter, diverser CBD-Präparate. CBD ist die Abkürzung für Cannabidiol, eines unter den rund 60 Cannabinoiden. Glaubt man den Versprechungen der Marketer, handelt es sich beim CBD um einen wahren Wunderstoff ohne Risiken und Nebenwirkungen. Das klingt toll. Hanf ohne Rausch und dennoch Hanf! Entsprechend hoch entwickelte sich die Nachfrage bei Markteinführung diverser Produkte. Die ausbleibenden Nachkaufraten sorgten für das Verschwinden der Anbieter und Produkte auf dem Markt – ein klassisches Beispiel für Marktbereinigung. Die Studienlage zu CBD ist ziemlich eindeutig. Die meisten Studien zu CBD und Zubereitungen mit Canabidiol halten wissenschaftlichen Kriterien nicht stand. Selbst das einzige zugelassene Medikament auf CBD-Basis ist lediglich eine Ergänzung zu einem bereits bewährten Epilepsie-Präparat.
Die ausstehende Entscheidung der europäischen Arzneimittelbehörde EMA/HMPC über die Anerkennung von Hanfblüten (Cannabis sativa L., flos) als pflanzliches Heilmittel wird sich wie üblich am Nutzen-Risiko-Verhältnis orientieren. Sie befindet sich gerade im Stadium der Datensammlung und wissenschaftlichen Diskussion. Allein die bekannten Risiken im Bezug auf psychische Erkrankungen und Unsicherheiten bei der Wirkstoffbestimmung und -dosierung lassen eine Zulassung eher unwahrscheinlich erscheinen.
Selbst Kaiser Karl der Grosse verfügte in seiner vielgepriesenen Landgüterverordnung (Capitulare de villis), dass Hanf als Nutzpflanze anzubauen sei, nicht aber als Heilpflanze. Damit gab er dem praktischen Nutzen der Pflanzenfasern den Vorrang und nicht dem Rausch der Blüten. So sehen wir es auch und widmen dem Hanf kein weiteres Kapitel.